Plädoyer für eine kritische Medienrezeption
in Media Soundscapes II: Didaktik, Design, Dialog. Beide Bände erscheinen in der Schriftenreihe „Massenmedien und Kommunikation“ (MUK) der GHS Siegen, 2007
Von einem Gestalter und Lehrenden, der sich intensiv mit traditionellen und neuen Medien auseinandersetzt, in und zu beiden publiziert und beides unterrichtet, wird man üblicherweise ein Plädoyer für die vielfältigen technischen und gestalterischen Möglichkeiten der digitalen, wahlweise „neuen“ Medien erwarten. In der Tat erreichen die digitalen Produktionsmittel mittlerweile einen technischen Standard, der es gleichermaßen zulässt, Print- wie Online-Publikationen komplett an einem Rechner zu entwickeln und via Internet zu publizieren – per Upload auf einen Server oder durch den Versand der Druckdaten für Digital- und Bedarfsdruck (printing on demand). Für die Publikation von Medienproduktionen reicht mittlerweile ein Mausklick.
Das Netz
Netzkapazitäten, Infrastruktur und Übertragungsraten ermöglichen, auch komplexe Produktionen dezentral zu bearbeiten und via Internet zu koordinieren. Das „Zauberwort“ dabei heißt „Multimedia“, die Kombination der sechs Medienbausteine (Text, Realbild, Grafik, Klang, bewegtes Realbild, bewegtes Kunstbild). Die Unterschiede der klassischen Medien egalisieren sich durch die physische Existenz als digitale Datei und die Ausgabe am Rechner. Ob Text, Klang oder Video ist – technisch betrachtet — letztendlich nur eine Frage der Codierung und des Dateiformats. Die Konvergenz der Medien bzw. Medienkanäle – alle Netz- und Unterhaltungsdienste sind mittelfristig mit einem Endgerät zu empfangen — ist nicht nur prognostiziert, sondern in Teilen realisiert. Bestehende Netzwerke und digitale Ausgabegeräte erlauben eine nahezu allgegenwärtige Präsenz multimedialer Präsentationen im öffentlichen Raum: Displays anstelle von Plakatwänden, in Einkaufszentren und -wagen (mit personalisierter Werbung durch Identifizierung des Kunden über die Kundenkarte), Großflächendisplays in U- und Straßenbahnen, auf Parkplätzen, Flughäfen, Bahnhöfen, Stadien und immer weiteren öffentlichen Plätzen. Der Mensch wird allgegenwärtig audiovisuell umworben oder, je nach Gusto und Sichtweise, malträtiert.
Die multimediale Rundum-Versorgung des Bürgers ist technisch möglich und zunehmend Realität. Neben den weitestgehend nicht beeinflussbaren öffentlichen Werbeflächen steht die individuelle Nutzung von personalisierten oder massenmedialen Angeboten. Die statistischen Zahlen zu Mobiltelefonen, Fernseh- und Radiogeräten sowie Computern zeigen: Deutschlands Bürger sind verkabelt, versorgt und willig. Im statistischen Mittel nutzt der Einzelne mehr als 240 Minuten TV pro Tag, 153 Minuten Radio (als Nebenbei-Medium am Arbeitsplatz noch mehr) plus Internet plus traditionelle Medien, etwa Musikkonserven (heute eher Mediaplayer statt Walkman) und alles – mit Ausnahmen der Printmedien – mit steigender Tendenz. Der Mensch: ein medial konditioniertes Wesen, rund um die Uhr, öffentlich und privat.
Digitale Medien in Schulen
Auch in Ausbildung und Lehre sind digitale Medien nicht wegzudenken, Den Titel „bestes Gymnasium Deutschlands“ hat eine Schule ergattert, die alle Klassenzimmer mit Beamern ausgestattet, alle Lehrer mit Laptops versorgt hat. (Der Rektor, immerhin, legt Wert auf die Feststellung, das auch musische Fächer unterrichtet würden.) Ob die technische Ausstattung als Kriterium für die Qualität der Lehre dient, dürfte zumindest in Frage stehen. Dessen ungeachtet wird das Angebot an eLearning-Plattformen an jeder Hochschule brav erweitert bis zur Einrichtung rein virtueller Universitäten. (Da man mittlerweile weiß, dass es nicht funktioniert, propagiert man heuer „blended learning“ mit regelmäßigen Präsenzveranstaltungen. Abgesehen vom entlarvenden Namen — to blend heißt Zusammenstellung, beim Whiskey der Verschnitt — landet man bei tradierten Konzepten von Präsenz- und Selbstlernphasen, nur eben mit digital vorgehaltenen Dokumenten.) Man diskutiert über die Anschaffung von Software (ohne die Inhalte und den Nutzen zu thematisieren), über Multimedia-Pulte für multimediale Präsentationen im Hörsaal, ohne zu fragen, in welchem.
Kontext und zu welchem Zweck der Medieneinsatz im Unterricht sinnvoll und/oder sogar geboten ist. Edutainement ist das Ziel, „entertainement for education“, Multimediakasper statt Dozenten, Wellness im Unterricht und gute Unterhaltung.Man wird die Frage stellen dürfen, ob die eingesetzten Techniken ausreichend hinterfragt, sinnvoll eingesetzt werden. Denn der Medieneinsatz in der Lehre ist nichts neues. Vom Tafelanschrieb über Umdrucke, Kopien und Dias, von Musik- über Videokassetten bis zu anderen Bildträgern und heute eben Beamerprojektionen wurden und werden quer durch alle Fächer von Pädagogen immer dort Medien eingesetzt, wo es thematisch und didaktisch erforderlich war bzw. ist. Nur verschiebt sich derzeit der Fokus von der didaktischen Notwendigkeit zur technischen Möglichkeit.
Ob es wirklich ein Quantensprung ist, wenn schon Grundschullehrerinnen in Groß-Britannien statt einem Tafelanschrieb ihr „white board“ bedienen? Macht es wirklich Sinn, schon bei den Kleinen statt mit der Tafel (und der dem Lernen förderlichen geringen Geschwindigkeit des Schreibens) mit PowerPoint-Folien, Sound-Loops und sinnfreien Überblendungen zu arbeiten? Man wird in Frage stellen dürfen, wie sinnvoll es ist, im Unterricht die gleichen passiven Rezeptionsmuster zu bedienen, die auch beim Fernsehschauen zum Tragen kommen.
Computer machen schlau
Aber nein! Laut einer internationalen Vergleichsstudie der OECD lernen Computernutzer besser. Schüler mit viel PC-Erfahrung gewinnen einen Vorsprung in der Mathematik und recherchieren im Internet (FR vom 25.1.06, S.7). Nicht publiziert wurde, wie und wo recherchiert wurde. Möglicherweise bleibt es beim „Googeln“, eine Software, die man wohl eher als Sortier- und Selektiermechanismus beschreiben sollte, wenn nach nicht transparenten Kriterien Webadressen positioniert oder auch — nicht angezeigt werden (etwa BMW im Februar 06 wegen angeblicher Manipulationen). Oder wie bezeichnet man eine „Suchmaschine“, die sich beispielsweise der chinesischen Zensur unterwirft und ganze Bereiche des WWW ausblendet? Oder Yahoo, die private eMails und Verbindungsdaten von „Dissidenten“ an die chinesischen Behörden weitergibt, die zumindest in einem nachgewiesenen Fall zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe führte? Man darf auf weitere Recherchen gespannt sein. Wie schreibt ein chinesischer Autor: „In einem schwachen China unterwirft sich die Regierung den Ausländern, bevor sie unser Volk verfolgt; in einem starken China unterwerfen sich die Ausländer unserer Regierung, bevor sie unser Volk verfolgen“, um dann fortzufahren: „China verändert mit seinen billigen Waren nicht nur den Lebensstil des Westens; es nutzt seinen gewaltigen Markt auch dazu, die moralischen Standards des Westens zu verändern.“ (zit. nach Mark Siemons, Illusionen des Westens, FAZ, 3.2.06, S.38).
Möglicherweise fällt auch noch Wikipedia ein, ein Internetangebot mit anonymen Autoren, deren deutsche Sektion Ende Januar aufgrund einer einstweiligen Verfügung zwei Tage offline war und zur Zeit vor allem durch falsche und gefälschte Artikel Schlagzeilen macht, etwa, wenn Angehörige des amerikanischen Kongresses ihre Biografien schönschreiben lassen oder regelrechte „editwars“ (Schreibkriege) ausbrechen, wenn bestimmte „Religionsgemeinschaften“ ihre Artikel und Pamphlete dort publizieren und Sektengegner dagegen halten. Die Artikel zu Scientology USA z.B. mussten wegen solcher „edit wars“ gesperrt werden. Das sind nur Schlaglichter, aber wer die Berichterstattung verfolgt, dürfte zumindest die Glaubwürdigkeit dieser Quellen in Frage stellen und weitere Dienste in Anspruch nehmen. „Information“, sollten Schüler und Studenten als erstes lernen, ist immer Selektion und Manipulation. Das gilt für alle Quellen gleichermaßen, nur prüfen und verifizieren Verlage und z.B. Fachinformationsdienste ihre Artikel und stehen für die publizierten Inhalte gerade, während anonyme Autoren bei Quellen wie Wikipedia dem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Über den „Wahrheitsgehalt“ von Bildern muss man im Zeitalter digitaler Retuschen und virtueller Bildwelten gar nicht erst diskutieren. Schon in „Forrest Gump“ war zu sehen, dass wir Montage und Fälschung nicht auseinanderhalten können, selbst wenn wir wissen, dass die gezeigten Bilder irreale Montagen sind. Wir wissen, sehen es trotzdem nicht.
Nur eine Frage der Generation?
Alles nur die übliche Skepsis einer Generation, die noch mit Büchern aufgewachsen ist und Tageszeitungen liest anstatt das doch so viel schnellere Internet als Informationsquelle zu nutzten? Beileibe nicht, man muss nur lernen, welche Medien welche Aufgaben übernehmen und was sie leisten können bzw. was auch nicht. Studien z.B. belegen, das beim Lesen am Monitor deutlich weniger im Gedächtnis bleibt als beim Lesen auf Papier, quer durch alle Alterstufen. Die Lesedauer am Monitor ist deutlich geringer, die Ermüdung tritt schneller ein, das Gelesene wird deutlich schlechter verarbeitet und damit nicht in gleichem Maße präsent. Als Lesemedium ist der Rechner schlicht ungeeignet.
Aber nur weltfremde Idealisten werden glauben, dass insbesondere junge Menschen die Rechner für die Lektüre nutzen. Ein paar Tage nach der OECD-Studie machte eine andere Studie Fernsehen und Computerspiele für schlechte Noten und Gewaltbereitschaft verantwortlich. Kriminologen fordern gar ein Bildschirmverbot im Kinderzimmer (FR vom 4.2.06, S.4). Sind Computernutzer nicht die besseren Schüler? Nun, man wird bei all diesen Studien nach dem Auftraggeber, den gestellten Fragen und der Interpretation der erhobenen Daten fragen müssen. Der schöne, alte Spruch „Wes’ Brot ich ess, des’ Lied ich sing“ gilt selbstredend gerade für (wissenschaftliche) Studien, die bereits in der Fragestellung und Selektion der Probanden die Ergebnisse antizipiert. Neben Prognose und Gutachten sind Empirie und Statistik nun mal legitime Methoden der wissenschaftlich korrektenFälschung, Verzeihung, der Interpretation.
Joseph Weizenbaum, Computerpionier und Entwickler des ersten Sprachanalyseprogramms „Eliza“ in den 60ern, bezeichnet das Internet denn auch drastisch als „großen Misthaufen“, das zwar Perlen enthalte, die aber nur der finden könne, der die richtigen Fragen stelle. Die Erfahrung mit unreflektiert „googelnden“ Studierenden legt nahe zu vermuten, dass 15-Jährige wohl eher noch seltener auf Fachdatenbanken und qualifizierte Informationsdienste zurückgreifen als angehende Akademiker(innen). Weizenbaum pointiert denn auch, Computer machten „Apfelmus aus Gehirnen“ und selbst an den besten Universitäten könne ein Viertel der Studierenden nicht mehr schreiben. Hausarbeiten werden aus dem Netz geladen und bestenfalls neu zusammenkopiert.
Ein Thema selbst zu strukturieren und Texte zu formulieren ist offenkundig eine bedrohte Kulturtechnik. In den USA werden denn auch seit zwei Jahren alle schriftlichen Arbeiten, die an Colleges, High Schools und Universitäten entstehen, zentral in einer Datenbank gespeichert. Ein Suchalgorithmus vergleicht die Texte auf Ähnlichkeit, Stichworte und Phrasen, um das „copy and paste“-Syndrom bei der Anfertigung von Haus- und Diplomarbeiten zumindest riskanter zu ma-
chen. Dabei, so noch einmal Weizenbaum, sei die höchste Priorität, den Kindern Sprache beizubringen. (FR vom 6.5.05, S.14; siehe auch: Die Macht der Computer ist die Ohnmacht der Vernunft, Frankfurt: Suhrkamp, 1976) Wie es um das Sprachvermögen und den Wortschatz angehender Akademiker(innen) an unseren Hochschulen und Universitäten steht, weiß jeder, der Studien- und Diplomarbeiten korrigiert.
„Sprache ist der Schlüssel zu Bildung und für Integration“ heißt es dazu aus dem Kultusministerium Baden-Württemberg. Selbst in Baden-Württemberg wurde bei der Einschulung der Erstklässler 2005 deutliche Defizite in der Sprachentwicklung festgestellt und entsprechende Förderprogramme intensiviert — wenn auch im gleichen Atemzug die Förderung für die musikalische Früherziehung reduziert wurden. Das zeigt zwar ein zumindest eingeschränktes„Bildungs“-Verständnis, da die musikalische Früherziehung nachweislich die Leistungsfähigkeit der Kinder in der geistigen und sozialen Entwicklung fördert. Aber das Schiller-Jahr ist ja glücklicherweise vorbei und anstelle der ästhetischen Erziehung tritt wieder die Konditionierung auf Leistungswissen und technische Fächer. Und eben die Ausstattung der Kindergärten und Schulen mit Computern.
Wider den digitalen Wahn
Wir leben nun mal im Medien- und Kommunikationszeitalter, genauer: im multimedialen Zeitalter:
- ederzeit erreichbar per Handy, ab Frühjahr/Sommer 06 auch mit besonderen Fernsehprogrammen für Mobiltelefone: Werbung, Videoclips und Spiele, neben den obligatorischen „Nachrichten“ natürlich (als Legitimation?). Gestritten wurde auf der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten im Februar 06 nur noch über die Finanzierungskonzepte: Free TV (mit Einmalzahlung) versus Pay TV mit Micro-Payment für jeden Download).
- Oder die eingebaute GPS-Ortung durchs Mobiltelefon bzw. das Navigationssystem im Auto. Der moderne Pfadfinder hat einen digitalen Kompass, heißt es allen Ernstes in der Werbung. (Karten kann er dafür nicht mehr lesen.)
- Oder: Das Laptop unterm Arm, den implantierten RFID-Chip unter der Haut (Discobesucher in Spanien lassen sich schon heute Chips einsetzen, mit denen sie die Eingangskontrollen umgehen und ihre Getränke bezahlen können; entwickelt ursprünglich für amerikanische Soldaten in Krisengebieten dient diese Technik als soziales Statussymbol) usw…
Pässe mit biometrischen Daten auf einem Funkchip sind in Deutschland Pflicht, die Videoüberwachung der Autobahnen schon so perfekt, dass die Betreiber es für notwendig erachten darauf hinzuweisen, dass die PKW-Daten nicht ausgewertet würden (auch wenn Stimmen insbesondere aus Süddeutschland die Auswertung dieser Daten, „zum Schutz der Bürger“, natürlich, einfordern). Neben öffentlichen Plätzen mit einem möglicherweise nachvollziehbaren Interesse der Überwachung lassen Firmen ihre Angestellte in der Produktion, der Einzelhandel Angestellte und Kunden überwachen. In Groß Briannien sind mittlerweile mehr als 4,3 Millionen Kameras installiert, jeder Brite wird pro Tag etwa dreihundertmal erfasst. Aber man muss es positiv sehen!
Der öffentliche Raum wird zur Bühne, jeder produziert sich nach Kräften in jeglicher Situation und wenn Eltern fordern, dass Klassenräume und Schulhöfe per Video überwacht werden, sollten man konsequenterweise auch das eigene Wohnzimmer mit Kameras bestücken – womit neben den Tagebüchern im Web (Web-Logs oder kurz: Blogs) auch gleich die Video-Blogs (vlogs) genannt wären. Und immerhin: Während trotz steigender Sendezeiten die peinlichen Talkshows und TV-Soaps immer zeitlich und personell begrenzt bleiben müssen – noch mehr „Unterschichtenfernsehen“ ist auch bei den Privaten kaum noch zu toppen, obwohl … mit jedem Format gelingt es, das Niveau noch einmal zu unterschreiten — erlauben die Netze und das Web es jedem, sich nach Kräften zu blamieren. Dass diese sogenannten „Wir-Medien“ genau so instrumentalisiert werden wie alle anderen Medien, etwa die chinesische Regierung gezielt „Blogger“ ausbildet, um die Szene zu unterwandern und zu kontrollieren, was soll’s. Bei uns passiert das ja nicht …
Anschauung und Kontemplation statt binge watching
Letztendlich gilt es, sowohl uns selbst wie auch (da wir nun mal Lehrende sind) die Studierenden dazu zu bringen, die alltägliche und allgegenwärtige, in der Regel unreflektierte Mediennutzung zu beobachten und zu protokollieren. Die Wenigsten sind sich auch nur über den zeitlichen Rahmen des täglichen, medial gebundenen Zeitkonvoluts im klaren. Anschließend gilt es (wieder) zu lernen, an die Stelle der permanenten, multimedialen Sinnesverstopfung und die Überantwortung der Kommunikation auf technisches Gerät das Einzelne als das Besondere zu thematisieren. Lesen als Ereignis, Hören als Ereignis, das bewusste Anschauen eines Films oder eines Bildes als Ereignis. Denn was wir durch die alltägliche, allgegenwärtige Medienpräsenz verlernt haben ist das Vermögen zu Anschauung und Kontemplation – und damit zur Reflektion. Momentan sind wir dabei, die Fähigkeit zur Kommunikation zu verlieren, da wir uns gegenseitig mit (multi-)medialen Erzeugnissen zuschütten und gar kein Platz mehr ist für das Hinhören und Zuhören, das Hinschauen und das Sehen – und die Pausen dazwischen; das Schweigen und (Nach-)Denken, die Basis für die Verarbeitung medial aufgenommener Information. Aber vielleicht sehe ich das ganz falsch:
„Auch für amerikanische Kinder, die erst wenige Monate alt sind, gehören elektronische Medien mittlerweile zum Alltag. [Nach einer nationalen Unfrage des amerikanischen Familienverbandes „Kaiser Foundation“] sind ein Viertel aller Schlafzimmer von Kleinkindern im Alter bis zu zwei Jahren mit Fernsehapparaten ausgerüstet. Mehr als zwei Drittel der Kinder bis zu zwei Jahren verbringen durchschnittlich zwei Stunden am Tag damit, sich Fernsehsendungen oder Videos anzuschauen oder Computer oder Videospiele zu spielen. (…) So wachsen mehr als ein Viertelder Säuglunge und Kleinkinder in den Vereinigten Staaten mit Videokassetten des Unternehmens „Baby Einstein“ auf. Die Videos mit Titeln wie „Baby Einstein“, Baby Shakespeare“ und „Baby Newton“ sollen Kleinkinder bis 18 Monaten auf spielerische Weise mit Kunst und Naturwissenschaften vertraut machen.“ (FAZ v. 30.10.2003, S. 9)
Schon als Baby auf die passive Rezeptionshaltung des Zuschauers konditioniert: Nach europäisch-humanistischem Verständnis wäre das eher ein Fall fürs Jugendamt. Vielleicht zeigt sich hier aber nur exemplarisch, wohin die Reise geht? In der Werbepsychologie nach Kroeber-Riel sind es die „Konsum-Äffchen“, die medial gesteuert und manipuliert werden. Entspricht diese Kategorisierung des Bürgers unserem Wertekanon? „Kommunikation über Medien heißt, die Adressaten ernst zu nehmen.“ lautet mein Credo im Gegensatz zur Äffchen-Metapher, wohl wissend, dass Menschen sehr wohl manipulierbar sind und durchaus dem Herdentrieb anheim fallen.
Der Beitrag als PDF: Lankau (2007) Bella digitalia