Würden Kultusministerien, Schulträger und Lehrkräfte auf die Legalisierung von Cannabis genau so unreflektiert reagieren wie auf die sog. Künstliche Intelligenz (KI) und Chat GPT, müsste man wohl Cannabis in Schulgärten anbauen, den THC-Wert der schuleigenen Ernte im Chemie-Unterricht bestimmen und Haschisch-Plätzchen im Hauswirtschaftsunterricht für die, dank der jetzt legalen Substanz, tiefenentspannten Belegschaft backen. (K)Eine Glosse.
Von Ralf Lankau
Der Deutsche Bundestag in Berlin hat nach intensiver und kontroverser Debatte am 23. Februar 2024 in dritter Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ (1) und (2) zugestimmt. Für Erwachsene soll der Besitz von bis zu drei Cannabispflanzen und bis zu 50 Gramm Cannabis zu Hause für den Eigenkonsum erlaubt werden. (Ob und wann die neuen Reglungen gelten, wird noch im Rechts- und Innenausschuss des Bundesrats beraten.) Das sind umgerechnet ca. 150 Joints, bei einen Monat mit 30 Tagen ausreichend für bis zu 5 Joints pro Tag. Im öffentlichen Raum liegt die Höchstgrenze des legal mitgeführten Cannabis bei 25 Gramm (ca. 75 Joints), was selbst für starke Raucher starker Tobak und schwer als Eigenbedarf zu deklarieren wäre (3).
Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren sind die Mengen auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des THC-Gehalts auf zehn Prozent beschränkt. Das heißt, es geht bei diesen Mengen nicht um ein „Feierabendbierchen“, sondern um den regelmäßigen Ge- oder medizinisch betrachtet: Missbrauch von erheblichen Mengen an Suchtstoffen, jetzt auch legal im öffentlichen Raum. Ein paar räumliche Einschränkungen sind formuliert, aber nicht unbedingt praxistauglich. So heißt es im Original: „In einer Schutzzone von 200 Metern um Anbauvereinigungen sowie Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen und öffentlich zugängliche Sportstätten wird der Konsum von Cannabis verboten.“ Zur Alterskontrolle kommt die Abstandsmessung?
Um legal an Cannabis zu kommen, sind ab Juli sogenannte Clubs für den gemeinschaftlichen Besitz zu gründen, aus dem Clubmitglieder gegen einen entsprechenden monatlichen Betrag die gesetzlich per Monat begrenzte Menge beziehen dürfen. Auch nichtgewerbliche Anbauvereinigungen dürfen Cannabis künftig anbauen und an ihre Mitglieder zum Eigenkonsum weitergeben, wobei Anbauvereinigungen und nichtgewerblicher Vertrieb ein Selbstwiderspruch ist. Bezahlt wird mit Briefmarken oder Arbeitsstunden? Für die Clubs und den öffentlichen Konsum gibt es schon jetzt zahlreiche einschränkende Regeln, die von Polizei und Innenministerien der Bundesländer als nicht umsetzbar und realitätsfern kritisiert werden. Aber der politische Wille schlägt die Praxistauglichkeit.
Ohne Zweifel ist: Einen Schwarzmarkt wird es weiterhin geben, zumindest für die unter 18-Jährigen. Ob die Legalisierung zu mehr oder weniger Konsum und weniger (Banden-)Kriminalität führt, darf mit Blick auf Nachbarländer wie die Niederlande und dortige Erfahrungen mit dem illegal organisierten Drogenhandel trotz Coffee-Shops bezweifelt werden.
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis stößt nicht zuletzt bei der Bundesärztekammer auf heftige Kritik. Deren Präsident forderte die Länder auf, die Legalisierung von Cannabis im Bundesrat aufzuhalten, da Jugendliche und junge Erwachsene vor dem 25. Lebensjahr besonders suchtgefährdet seien. Der Konsum von Gras könne zu dauerhaften Veränderungen im Gehirn führen und zwar so lange, bis es vollständig entwickelt sei, was erst mit etwa 25 Jahren der Fall sei. Bis dahin sei das Risiko durch Cannabiskonsum deutlich erhöht, auch 18-jährige Konsumenten könnten ihr Gehirn nachhaltig schädigen. (4)
Wieder grüßt das Murmeltier: IT und jetzt KI für Schulen
Gesundheitliche und strafrechtliche Aspekte sind aber hier nicht das Thema, sondern die Frage, ob Schulträger, Lehrerverbände und die Schar von digital- und KI-affinen Lehrer-Blogger-Influencern jetzt bei Cannabis genau so affirmativ und unreflektiert argumentieren wie bei der Einführung von IT und, seit November 2022 (s.u.), KI-Tools an Schulen. Sie erinnern sich an die Argumentation? KI-Tools seien jetzt auf dem Markt, das könne man sowieso nicht ändern, die Schülerinnen und Schüler nutzten das sowieso, ob verboten oder nicht. Verbote würden eher anstacheln als abschrecken, daher sollte man ihnen doch besser in der Schule beibringen, wie man „richtig“ damit umgeht, mit KI … warum also nicht auch mit Cannabis?
Was IT und KI betrifft, ist das der seit mehr als 40 Jahren übliche, von IT-und Wirtschaftsverbänden gesteuerte, fatalistische und technikdeterministische Ansatz. Ob PC, Laptop oder Tablet, ob Schule ans Netz, Computer oder Video Games oder heute KI: Immer heißt es, die Geräte und Anwendungen seien schließlich auf dem Markt, und Teil der „Lebenswirklichkeit“ der Schülerinnen und Schüler und müssten daher im Unterricht nicht nur thematisiert, sondern auch eingesetzt werden. Sie würden modernen Unterricht ermöglichen, dienten der Förderung der Motivation etc. Ausgeblendet wurde und wird konsequent, wem das ganze nutzt – den Anbietern, so der UNESCO-Report „2023 Global Education Monitor“.
Unterschlagen wird, welche vielfach belegten Folgen es für die körperliche und psychische Gesundheit Jugendlicher hat (exemplarisch der Bericht des The U.S. Surgeon General’s Advisor (2023) Social Media and Youth Mental Health; deutsch von Dr. Uwe Büsching).
Selbst der fehlende Nutzen bzw. Mehrwert von IT im Unterricht ist für Begeisterte kein Argument, im Gegenteil. Bereits die Frage nach dem Mehrwert von Digitaltechnik in Schulen sei obsolet. So argumentiert z.B. das Forum Bildung Digitalisierung e.V., ein Zusammenschluss industrienaher privater Stiftungen (5), die sich nach eigener Aussage für eine „systemische digitale Transformation im Bildungsbereich“ einsetzen. Als Antwort auf das jahrzehntelange Scheitern von Digitaltechnik im Unterricht stellen diese Stiftungen das Lehren und Lernen per Akklamation unter das „Vorzeichen der Kultur der Digitalität“. Sie fordern, Lehr-Lern-Settings generell danach auszurichten (6). Medientechnik im Unterricht wird nicht auf den Nutzwert befragt, sondern als nicht zu hinterfragende Prämisse gesetzt. Man müsse „die Diskussion um den Mehrwert digitaler Medien und Tools für Unterricht und Didaktik überwinden“ und stattdessen eine grundsätzlich „offene Haltung gegenüber der schulischen Transformation“ einnehmen (ebda.).
Selbstredend finden sich im Gefolge solcher Stiftungen Lehrkräfte, die diese Argumentation übernehmen und kritiklos fordern, über Bildung nur noch „unter den Bedingungen der Digitalisierung“ zu diskutieren (7). Ihr Verhalten ist in etwa so weitsichtig wie den Begriff „Mobilität“ ausschließlich mit Vertretern der Automobilkonzerne und „unter den Bedingungen des Automobils und Individualverkehrs“ zu diskutieren und andere Mobilitätskonzepte und Fortbewegungsmittel oder die Folgen des Individualverkehrs gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen. Es reicht, heißt das, der feste Glaube (!) an die Segnungen der Technik, zumindest in Deutschland. Vorreiter der (Früh)Digitalisierung von Kitas und Schulen in anderen Ländern rudern weltweit zurück, Deutschland flutet derweil Kitas und Grundschulen mit Tablets. Das ist zwar pädagogisch irrelevant und kontraproduktiv – aber es gibt Anbieter, Märkte und Gewinner (8). Milliardenmärkte, Partikularinteressen der Anbieter ohne Rücksicht auf die Folgen für die Gemeinschaft, stattdessen Renditeerwartung: Das sind Gemeinsamkeiten des KI-Hypes seit November 2022 und der aktuellen Diskussion über die Legalisierung von Cannabis.
Da drängt sich eine provozierende Frage auf. Sollte man Kinder und Jugendliche nicht auch auf Cannabis möglichst früh vorbereiten, damit sie verantwortlich damit umzugehen lernen (Früh-Cannabisierung parallel zur Früh-Digitalisierung)? Zwar dürfen sie Cannabis noch nicht konsumieren. Aber so, wie Kinder und Jugendliche sozial nur genante „Social Media Apps“ wie Tik Tok, Instagram & Co.erst mit 13 Jahren nutzen, weil es vorher gesetzlich verboten ist, werden sie auch Cannabis frühestens mit 18, besser erst mit 25 Jahren (oder noch später oder gar nicht) konsumieren. Ganz bestimmt.
Vielleicht gründen sie sogar einen Cannabis Social Media Club, in dem sie sich für gemeinsame Aktionen treffen können, weil sie noch kein Cannabis konsumieren, was in den Clubs verboten ist. Schließlich werden Sie – und das ist das pädagogische Lernziel – gegen die Einnahme von Drogen immunisiert und für die Folgen von Drogenkonsum sensibilisiert! Sie sehen ja an ihren Lehrkräften und Eltern, wohin die Einnahme solcher Substanzen führt. Der Cannabisanbau in Schulen ist quasi Aufklärungsarbeit, Drogenprävention und Gesundheitsförderung in einem. Vielleicht könnte das BMBF statt einem Digitalpakt II ein Cannabis-Anbauförderprogramm für Schulen auflegen?
Unterricht mit Avatar und Chat GPT
Das klingt absurd? Doch genau so absurd wird beim Einsatz von KI in Schulen argumentiert. Die Tools seien nun mal da, egal, wer sie aus mit welchem Ziel auf den Markt geworfen hat. So, wie die Cannabis-Lobby seit Februar 2024 ihren Auf- und Durchbruch für neue Märkte feiert. Zwar ist der ganz große Cannabis-Markt mit einem geschätzten Volumen von 5 Milliarden Euro/Jahr in Europa durch die vielen Einschränkungen der „Legalisierung light“ geplatzt. Aber der Zuliefermarkt für den Anbau expandiert ebenso wie die Clublandschaft und die Anbaugemeinschaften. Die bislang geltenden Produktionsbeschränkung auf eine Tonne pro Jahr und Betrieb ist mit der Legalisierung aufgehoben. Jetzt können Anbaubetrieb mehr als eine Tonne pro Jahr nichtkommerziell … ?
Die Propagandisten der KI feiern sogar schon das zweite Jahr ihrer Hausse. Am 22. November 2022 hatte das Unternehmen Open AI ChatGPT freigeschaltet, gegen den Willen der eigenen Entwickler und ohne die Folgen zu berücksichtigen. Gegründet als Unternehmen für eine gemeinnützige Form von KI (daher Open AI analog zu Open Source), hat ein interner Streit im Jahr 2018 dazu geführt, dass Microsoft finanziell eingestiegen ist, 49% der Anteile hält, Milliarden investiert und weitere Milliarden zugesagt hat. Das muss sich rentieren. Die massive Warnung von KI-Experten über die potentiellen Risiken (diese KI-Tools seien so gefährlich wie Pandemien oder der Atomkrieg; (9)) hat genauso wenig genutzt wie der Aufruf von mehr als 33 Tausend KI-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu einem Moratorium, einer Denkpause (10). Stattdessen wird auf allen Kanälen, mal mit mehr, öfter ohne Sachverstand, für KI-Tools und der damit verbundenen Wunderwelt geworben (11).
In den Schulen werben auch Lehrkräfte und deren Verbände. Das reicht von der simplen Frage, was mit Schule und Unterricht passiert, wenn der ChatBot den Aufsatz schreibt (12) über die Prophezeiung, dass sei das „Ende des Lernens, wie wir es kennen“ (13), den Hinweis, dass sich Lernen und Prüfen radikal ändern müsse (14)oder gleich eine Systemkrise zu bewältigen sei (15). Auch gibt es Tipps zum Einsatz dieser Software in jeder denkbaren Variante, mal als Kurs für Lehrkräfte (16) bis zum Modellprojekt, in dem Schülerinnen und Schüler lernen, dass auch ein Bot nicht immer Recht habe (17). Selbstredend gibt es kostenlose und kommerzielle Angebote zum Download kompletter Unterrichtseinheiten samt vorformuliertem Prompts. (Geben Sie zum Test mal „Prompt für Lehrkräfte“, „ChatGPT für Lehrer“ o.ä. in eine Suchmaschine ein.)
Die Hamburger Professorin Judith Simon, Mitglied im Deutschen Ethikrat und Lehrstuhlinhaberin für Ethik in der Informationstechnologie, sieht es anders und kritisierte im Rahmen der Munich Economics Debates des Ifo-Institituts und der SZ im Januar 2024: „ ChatGPT war [und ist;rl] ein riesiges Sozialexperiment. Die haben das einfach auf den Markt geworfen und alle Risiken an andere ausgelagert.“ (SZ vom 7.2.24)
Vor allem: Die entscheidenden Fragen werden nicht gestellt. Wieso sind so viele Menschen technik- und fortschrittsgläubig, obwohl mittlerweile doch bekannt sein dürfte, dass wir die Nutzerinnen und Nutzer der Web&App-Dienste nur gut konditionierte Konsumenten der Dienste des Silicon Valley sind? Warum lassen sich so viele Menschen instrumentalisieren, um freiwillig und unentgeltlich als Beta-Tester eine Software zu optimieren, die letztlich zu ihrer Selbstentmündigung und Hörigkeit (Günter Anders) führt? Diese ganzen digitalen Helferlein führen ja dazu, bequem und faul, wie der Mensch nun mal ist, dass wir immer mehr Aufgaben an IT- und KI-Systeme delegieren – mit der Folge, dass wir diese Aufgaben selbst nicht mehr lösen können.
Wenn ein Kind, als Beispiel, einen Bot seinen Aufsatz schreiben lässt, bevor es gelernt hat, wie es einen Aufsatz konzipiert, gliedert und formuliert, wird es auch in Folge keinen Aufsatz schreiben können. Oder: Wer einen Bot beauftragt, eine Präsentation zu strukturieren und zu gestalten, lernt allenfalls das Prompten, aber nicht das Entwerfen und Gestalten. Je früher man KI-Tools in Schulen einsetzt, desto unmündiger und abhängiger werden Schülerinnen und Schüler von diesen Werkzeugen. Wer sich die neuen KI Phones anschaut, bei denen es gar keine Apps mehr gibt (geben soll), sondern nur noch eine allgegenwärtige KI im Hintergrund, die „alles für einen“ macht wie der Supercomputer HAL in Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ , sollte darüber nachdenken, was diese „Digital-Nanny for everything“ bedeutet. Es geht nicht um Technik, sondern um Märkte und Macht. Armin Grunwald, Professor für Technikphilosophie und Technikethik am “ Karlsruhe Institut für Technologie“ (KIT) und Leiter des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag stellte in seinem SZ-Beitrag bereits 2019 die „Gretchenfrage“:
„Wer sind die Macher der KI, wer verbreitet die Erzählungen und wer will hier eigentlich seine Werte und Interessen hinter einem vermeintlichen Technikdeterminismus verstecken? (…) Es ist eine Machtfrage.“ (SZ. v. 28.1 2.2019, S. 11)
Zurück in die Zukunft: Technik aus den 1940er Jahren
Dabei ist das, was heute als generative KI promotet wird, im Kern eine Technik aus den 1940er Jahren. Die theoretischen Grundlagen haben die Macy Conferences von 1946-1953 gelegt, auf denen Vertreter verschiedener Fachgebiete (Mathematik, Physik, Elektrotechnik, Psychologie, Neurophysiologie, Psychiatrie, Soziologie) interdisziplinär diskutierten, um die Grundlagen für eine universale Wissenschaft zu legen, aber auch über Gemeinsamkeiten der Funktionsweise des menschlichen Gehirns und elektronischer Geräte, vor allem von Computern, zu schaffen. Der Begriff dafür ist Kybernetik, die Steuerungskunst. Norbert Wiener publizierte 1948 sein Buch „Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine. (dt.Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine. 1948). Der Begriff Kybernetik wurde bereits auf der Dartmouth-Konferenz 1956 gegen den Willen führender Wissenschaftler umbenannt in „Artificial Intelligence“, weil sich das besser vermarkten (!) ließe, so John McCarthy, einer der Organisatoren (18). In der Biologie war die Kybernetik die Basis für den Behaviorismus und Black Box-Modelle, in Schulen wurde daraus das „programmierte Lernen (als Methode gescheitert, der Mensch ist keine programmierbare Maschine).
Auf den Hype folgt der erste KI-Winter in den 1970er Jahren. Die Lehrstühle wurden nicht mehr besetzt, die Kybernetik der Allgemeinen Informatik zugeordnet. Ein zweiter Hype baute sich in den 1980er Jahren auf, als die „Expertensysteme“. Hier waren und sind die Anwendungen der automatisierten Datenverarbeitung mit ihren mathematischen Modellen aus Mustererkennung, Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung außerordentlich hilfreich, sofern – und diese Einschränkung ist notwendig – Experten damit arbeiten, die das notwendige Fachwissen, die Erfahrung und Urteilskraft besitzen, um die Ergebnisse der automatisierten Berechnungen beurteilen zu können. Denn KI-Tools funktionieren nach dem Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Übertragen auf Lernprozesse heißt das: Wer viel weiß, bekommt ein hilfreiches Werkzeug für Routineaufgaben, muss aber alle Ergebnisse beurteilen und qualifizieren, ggf. ändern und korrigieren können. Wer nichts weiß, muss der Software: glauben. So, wie Kinder den Vorlesenden glauben müssen solange sie nicht selbst lesen können. Dazu kommt die für Pädagogen entscheidende Frage, die Gottfried Böhme formulierte:
„Wie kann ich in Zukunft einen jungen Menschen motivieren, den mühsamen Prozess des Lernens willig auf sich zu nehmen, wenn er selber bald bessere Hausarbeiten, Facharbeiten und Übersetzungen in Echtzeit aus dem Netz herunterladen kann, als er sie selber je erstellen könnte? ChatGPT ruiniert das Motivationsgefüge des herkömmlichen Unterrichts.“ (Böhm: Der Taschenrechner, die Atombombe und ChatGPT )
Wie vermittelt man jungen Menschen, dass sich körperliche und geistige Anstrengung lohnt, dass sich Lernen und auch das Scheitern lohnen, zumal die Ergebnisse (zumindest zu Beginn) schlechter sind als das, was automatisierte Systeme per Anweisung in kürzester Zeit generieren? Über (intrinsische wie extrinsische) Motivation müssen sich Bildungseinrichtungen jedenfalls keine Gedanken mehr machen, wenn Chat GPT und andere KI-Tools zum einen das Unterrichten übernehmen, zum anderen das Erstellen der Hausaufgaben und Referate ebenfalls an KI-Tools übertragen wird, wie es eine Privatuniversität als Fortschritt verkauft (19). Dann beschulen und testen sich Bots bald gegenseitig, wie jetzt schon bei X (Twitter) oder manchen Suchmaschinen der Fall ist.
Aber warum sollte man überhaupt noch etwa lernen (außer den Cannabisanbau), wenn doch eine „Intelligenz“ (gerne auch zur Artificial General Intelligence (AGI) oder gar Super Intelligence aufgeblasen) alle Fragen beantwortet, alle Aufgaben erledigt und alle Wünsche erfüllt? Paradise by Microchip und Avatar, Web und App. Entspannen Sie sich. Gärtnern Sie bei Bedarf in der Cannabis-Ananbaugemeinschaft, drehen Sie sich (zu Hause!) ganz legal einen Joint (wenn Sie über 18, besser über 25 sind) und rauchen Sie sich die Welt schön.
Links und Quellen
1) Deutscher Bundestag Drucksache 20/8704 / 20. Wahlperiode 09.10.2023. Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) (25.2.24)
2) Deutscher Bundestag Drucksache 20/8763 / 20. Wahlperiode (zu Drucksache 20/8704) Unterrichtung durch die Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) – Drucksache 20/8704 – Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates. https://dserver.bundestag.de/btd/20/087/2008763.pdf (25.2.24)
3) Nach einer in der Zeitschrift „Drug and Alcohol Dependence“ veröffentlichten Studie hat der durchschnittliche Joint ein Gewicht von 0.32 Gramm (Bayesian inference for the distribution of grams of marijuana in a joint). Ansonsten schwanken die Angaben zwischen 0,25 und 0,5 Gramm.
4) Protokoll des Dt. Bundestags: Nach langem Ringen: Bundestag verabschiedet Cannabis-Legalisierung sowie „Nach Bundestagsentscheidung Cannabis wird legal – Was sagt die Wissenschaft?“
5) Das Forum Bildung Digitalisierung e.V. ist eine Initiative der Deutsche Telekom Stiftung, der Bertelsmann Stiftung, der Dieter Schwarz Stiftung, der Joachim Herz Stiftung, der Robert Bosch Stiftung, der Siemens Stiftung, der Vodafone Stiftung Deutschland und der Wübben Stiftung.
6) FBD (2021) Forum Bildung Digital, Konferenzankündigung (24.10.2022)
7) Krommer, Axel (2018) Wider den Mehrwert! Oder: Argumente gegen einen überflüssigen Begriff
8) Regierungen weltweit verbannen Smartphones aus den Schulen und reduzieren den Einsatz von Tablets in Kitas und Schulen.
Dortmund (21. September 2023) Digitalisierung: Stadt Dortmund übergibt letztes von 70.000 Tablets an Dortmunder Schulen
Heilbronn (25.10.2023) Für mehr Chancengerechtigkeit: Über 20.000 Tablets für Heilbronner Schüler
Stuttgart: Digitales Lernen in städtischen Kitas und Schülerhäusern
9) „Mitigating the risk of extinction from AI should be a global priority alongside other societal-scale risks such as pandemics and nuclear war.“ (dt.: Die Minderung des Risikos des Aussterbens durch KI sollte neben anderen gesellschaftlichen Risiken wie Pandemien und Atomkrieg eine globale Pandemien und Atomkrieg). (24.2.2024)
10) „Pause Giant AI Experiments: An Open Letter„, 33.708 Signatures; 22. März 2023 (Stand: 25.2.2024).
11) Exemplarisch genannt sei Marc Andreessen, der 1990 den ersten grafischen Browser „Netscape“ entwickelt hat und heute phantasiert, mit Hilfe von KI nicht weniger als die KI die Welt zu retten: „Why AI will save the world“. Im gleichen Tenor Christopher Lauer von den Piraten mit siener Forderung nach seiner Staats-Ski: Lauer, Christoph (2024) Für eine schlankere Verwaltung : Deutschland braucht die Staats-KI?, in: FAZ vom 8.2.2024 oder Mustang Süleyman,Interview der SZ vom 20.2.24, S. 10.
Das erinnert in ihrer Naivität an die Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace von John Jerry Barflow (https://www.eff.org/de/cyberspace-independence; dt. bei Telepolis: http://www.telepolis.de/Features/Unabhaengigkeitserklaerung-des-Cyberspace-3410887.html) aus dem Jahr 1996, in dem ein globales und friedliches Dorf Dorf versprochen wurde: „Wir werden im Cyberspace eine Zivilisation des Geistes erschaffen. Möge sie humaner und gerechter sein als die Welt, die Eure Regierungen bislang errichteten.“Genau das gleiche Erwachen wird es auch bei KI-Tools geben, aber derzeit verhallen die Warnungen ungehört und der Markt gehört den Technikdeterministen und Verkäufern wie Sam Altman von Open AI, der zu Billionen-Investitionen in Chip-Fabriken auffordert (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/openai-umsatzwachstum-investitionen-100.html, 9.2.2024)
12) https://www.tagesschau.de/wissen/technologie/chatgpt-schulen-hausaufgaben-101.html (03.02.2023)
13) https://deutsches-schulportal.de/kolumnen/chatgpt-das-ende-vom-lernen-wie-wir-es-kennen/ (03.02.2023)
15) https://bobblume.de/2023/01/11/diskussion-chatgpt-lernen-und-die-systemkrise/
16) https://www.bvib.de/ki-im-unterricht-chat-gpt-kurs-fuer-lehrkraefte, https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/so-koennen-lehrkraefte-mit-chatgpt-umgehen (03.02.2023)
17) https://www.dasding.de/newszone/chatgpt-ki-schule-unterricht-100.html (03.02.2023)
18) Siehe dazu: Rudolf Seising (2021) Es denkt nicht, Büchergilde Gutenberg
19) Das BA-Studium dort kostet 15.000 Euro, wird aber als Duales Studium z.T. vom Arbeitgeber bezahlt. Statt Dozenten organisiert ein Director Synthetic Teaching die Zugänge zu den KI-Systemen und Avataren. Von denen werden die Probanden individualisiert beschult und kleinteilig getestet. (Große Abschlussprüfungen wären zu stressig.) Gearbeitet wird von Anfang an mit ChatBots, weil man deren Einsatz ohnehin nicht kontrolliere könne und die Absolventen das zukünftig im Beruf ja auch verwenden würden. Und überhaupt: Sei nicht jede (Hoc)Schule heute ein Ed-Tech-Unternehmen, weil doch alle mit IT und KI-Lösungen arbeiten und lernen würden? Zit. n. Helmut Martin-Jung (2024) Wo Chat GPT zum Studium gehört, in SZ vom 26.2.2024, S. 13