Smartphone – Verbote oder nicht? Darüber gibt es erfreulicherweise nun auch in Deutschland eine öffentliche Debatte, bis in die Topmedien wie Tagesschau, Heute und selbst in der Heute Show. Zu welchem Ergebnis müsste diese Debatte kommen, wenn eine Studie aus England nachweist, dass sich bei einem Verbot die Leistungen sprunghaft um bis zu 2 Noten verbessern? Die englischen Schulbehörden haben Konsequenzen gezogen.
Von Peter Hensinger.
Britischer Think Tank Policy Change fordert Smartphone-Verbote in Schulen
Eine Studie der konservativen britischen Denkfabrik Policy Exchange[1] – unterstützt von dem führenden Psychologen und Bestsellerautor Professor Jonathan Haidt – untersuchte den Zusammenhang zwischen Smartphone-Nutzung und Lernleistungen und die Wirksamkeit von Smartphone-Verboten in Schulen. Zur Präsentation dieses Reports hat die Policy Exchange Jonathan Haidt, der auch Autor des Bestsellers „Generation Angst“ ist, zu einem Vortrag eingeladen.
Die Ergebnisse des Reports, die auf Untersuchungen an Grund- und Sekundarschulen in England, Schottland, Wales und Nordirland basieren, zeigen, dass Sekundarschulen mit einem wirksamen Handyverbot von Ofsted (Office for Standards in Education, Children’s Services and Skills, Amt für Standards in Bildung, Kinderbetreuung und Kompetenzen) mehr als doppelt so häufig als „hervorragend“ eingestuft werden wie Schulen ohne Smartphoneverbot.
Kinder an Schulen mit einem wirksamen Verbot erzielten Ergebnisse, die 1–2 Noten besser waren als Kinder an Schulen mit laxeren Richtlinien.
Der Policy Exchange Report empfiehlt:
- Schulleiter sollten Verbote für Mobiltelefone einführen. Damit diese Verbote möglichst wirksam sind, wird empfohlen, dass die Telefone zu Beginn eines jeden Tages abgegeben oder in Schließfächern, Beuteln (oder Ähnlichem) aufbewahrt werden oder alternativ vom Schulgelände verbannt werden.
- Die Regierung sollte sorgfältig überwachen, ob Schulen wirksame Verbote für Telefone umsetzen oder nicht, und wenn sich die Situation innerhalb eines Jahres nicht verbessert, sollten die aktuellen Leitlinien gesetzlich vorgeschrieben und verbindlich werden.
- Für Ofsted, die erhobenen Erkenntnisse über Mobiltelefone in seinen Bildungsinspektionsrahmen und die Ausbildung der Inspektoren aufzunehmen.
- Für Anbieter von Lehrerfortbildungen, sicherzustellen, dass sie die neuesten Erkenntnisse über Mobiltelefone, soziale Medien und psychische Gesundheit in ihre Lehrpläne aufnehmen. Dies sollte auch die Vermittlung von effektiven Modellen für Handyverbote und deren Durchsetzung beinhalten.
- Für die Kinderbeauftragte, ihre gesetzlichen Befugnisse zu nutzen, um die Erkenntnisse diese Berichts auf eine viel größere Anzahl von Schulen anzuwenden.
- Die Education Endowment Foundation sollte weitere Untersuchungen durchführen, um die Auswirkungen wirksamer Handyverbote auf die schulische Leistung, den Lernerfolg der Schüler, die psychische Gesundheit und das Mobbing zu bewerten und zu untersuchen.
Im Februar 2024 veröffentlichte die konservative Regierung ausführliche Leitlinien und Handungsanleitungen, die die Schulen anregen sollen, die Smartphone-Nutzung im Unterricht und in den Pausen einheitlich zu verbieten.
Im Februar 2024 veröffentlichte die konservative Regierung ausführliche Leitlinien und Handungsanleitungen, die die Schulen anregen sollen, die Smartphone-Nutzung im Unterricht und in den Pausen einheitlich zu verbieten.
Ab September 2025 wird Barnet / Nordlondon als erster Bezirk im Vereinigten Königreich Smartphones in allen seinen Schulen verbieten. Diese Regelung betrifft etwa 60.000 Schüler in 126 Grund- und weiterführenden Schulen. Eltern werden zudem ermutigt, die Vergabe von Smartphones an ihre Kinder bis zum Alter von mindestens 14 Jahren zu verzögern und die Nutzung sozialer Medien bis zum Alter von 16 Jahren einzuschränken (Daily Mail, 15.02.2025, Deutsches Schulportal).
Neue Studien bestätigen die Notwendigkeit von begleitenden Smartphone-Verboten
Der Policy Exchange-Report von 2024 wird durch neueste Studien bestätigt. Menschen verlieren immer schneller wesentliche Aspekte ihrer Intelligenz. Sich konzentrieren, logisch denken, Probleme lösen, Informationen verarbeiten – all das können heutige Menschen schlechter, als sie es einst konnten. Studien liefern dafür klare Belege.[2]
So dokumentiert etwa die Studie „Monitoring the Future“ der University of Michigan im US-amerikanischen Ann Arbor die wachsenden Konzentrationsschwierigkeiten von 18-jährigen AmerikanerInnen. Das „Programme for International Student Assessment“ (PISA) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Sitz im französischen Paris erfasst seit Jahren die Lernfähigkeiten von 15-Jährigen weltweit. Alle Forschungsergebnisse deuten einhellig darauf hin, dass junge Menschen zunehmend mit einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne und abnehmenden Fähigkeiten im kritischen Denken ausgestattet sind.
Die OECD-Studie ergab u.a.
- 28 % der Erwachsenen in den USA erreichten 2023 die niedrigsten Kompetenzstufen im Bereich Lesen und Schreiben, gegenüber 19 % im Jahr 2017.
- 34 % erreichten die niedrigsten Kompetenzstufen im Bereich Rechnen, ein Anstieg von 29 % im gleichen Zeitraum.
Die Kultusministerien der deutschen Bundesländer und die Lehrergewerkschaften sollten die vielfältigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die kausalen Zusammenhänge mit der Digitalisierung zur Kenntnis nehmen und Beschlüsse fassen für ein begleitetes Smartphoneverbot. Die Metastudien von Prof. Zierer zum Brain-Drain-Effekt und zu Smartphone-Verboten haben die positiven Effekte auf Lernleistungen und das Schulklima nachgewiesen. Das Verbot muss der Einstieg in eine pädagogische Wende sein, wie sie im Appell der 75 Experten skizziert wird. Sie fordern eine Abkehr von der „Digitalen Bildung“, die von der Industrie initiiert wurde, um die Schule als Absatzmarkt für ihre Produkte zu erschließen. Die pädagogische Wende beinhaltet eine altersgerechte Medienerziehung, die Jugendliche befähigt, ab dem Alter von 16. Jahren selbstbestimmt mit digitalen Geräten umzugehen.
Appell der 75 Experten zur bildungspolitischen Diskussion
Wie diese Defizite neurobiologisch zu erklären sind, das wird in 2 Dokumenten analysiert:
Interview mit der Neurobiologin Dr. Keren Grafen: „Es ist höchste Zeit, dass die negativen Auswirkungen von Hochfrequenz-EMF auf die Gehirnentwicklung von Kindern und Jugendlichen ernst genommen werden!“
Teuchert-Noodt G, Hensinger P (2025): No way out of the smartphone epidemic without taking into account the findings of brain research, J Neurol Neurosci, 16 (01) 2025 : 001-01, >>> Download Volltext, >>> deutsche Übersetzung.
Weiterführende Quellen und Links
[1] Policy Exchange ist eine führende britische Denkfabrik mit Sitz in London, die 2002 gegründet wurde. Policy Exchange spielt eine bedeutende Rolle in der britischen Politiklandschaft. Sie entwickelt politische Ideen und Reformvorschläge, die insbesondere von der Conservative Party aufgegriffen werden.
[2] https://t3n.de/news/studien-zeigen-menschen-kognitive-f%C3%A4higkeiten-informationen-verarbeiten-1678313/