Depressionen und Angstzustände: Die Pandemie belastet Kinder

Einer Studie der Universität Calgary zufolge haben sich Ängste und Depressionen von Kindern und Jgendlichen während der Pandemie verdoppelt. Besondes betroffen seien Mädchen und ältere Kinder.

Durch die Pandemie hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit ernsten psychischen Problemen weltweit zugenommen. Etwa doppelt so viele junge Menschen leiden an den Symptomen einer Depression oder Angststörung. Das seien etwa doppelt so viele junge Menschen wie vor der Pandemie, so Kanadische Wissenschaftlerinnen um Nicole Racine von der University of Calgary in einer Meta-Analyse im Fachblatt Jama Pediatrics, in die Daten aus 29 einzelnen Studien mit insgesamt fast 81 000 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausgewertet wurden.

Als Grund für die Zunahme werden die soziale Isolation gennant, womit nicht nur eingeschränkte Kontakte zu Freunden gemeint sind, sondern auch fehlende Hilfsangebote von Lehrern, Schulpsychologen und Beratern. Zwar seien die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, da sie auf (nicht immer zuverlässigen) Auskünften der Familien beruhten, aber in der Gesamtübersicht bekomme man einen verlässlichen Eindruck davon, wie stark die junge Generation durch fehlende soziale Kontakte gefährdet sei. Mädchen seien dabei öfter von Depressions- und Angstsymptomen betroffen als Jungen, was an einer einer größeren biologische Anfälligkeit, aber auch an einer niedrigeren Selbstsicherheit liegen könne.Zudem erlebten sie häufiger Gewalt und hätten in Teilen der Welt schlechtere Entwicklungschancen als ihre männlichen Altersgenossen.

Jüngere Kinder reagierten vor allem empfindlich auf gestörte tägliche Routinen, weshalb die Psychologinnen raten, verlässliche Abläufe beizubehalten oder neue Routinen (feste Zeiten für Schulaufgaben, Schlaf, Handyspiele und körperliche Bewegung) einzuführen, um dadurch Sicherheit zu geben.

Die psychische Störungen haben laut Studie im Laufe der Pandemie sogar zugenommen, die Dauer der Einschränkungen und Veränderungen zermürbe wohl immer mehr Kinder, auch könnten zumehmende familiäre Belastungen (Ängste dre Eltern, finanzielle Verluste u.a.) sich zeitverzögert verstärken. Auf jeden Fall sei zu erwarten, dass nach der Pandemie deutlich mehr Kinder und Jugendliche psychische Beratungen und Behandlungen brauchen werden. Racine und Kolleginnen mahnen daher dringend an, die dafür benötigten Ressourcen bereitzustellen.

Studie

McArthur, Brae Anne & Racine, Nicole & McDonald, Sheila & Tough, Suzanne & Madigan, Sheri. (2021). Child and family factors associated with child mental health and well-being during COVID-19. European Child & Adolescent Psychiatry. 10.1007/s00787-021-01849-9.

Zusammenfassung (Auszug)

Das Verständnis der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die aktuelle Generation von Jugendlichen ist von entscheidender Bedeutung für die Planung von Wiedreherstellungsmaßnahmen (post-pandemic recovery planning) nach der Pandemie. Diese Studie zielte darauf ab, die für Kinder wichtigsten Faktoren (Verbundenheit mit Betreuern, Bildschirmzeit, Schlaf, körperliche Aktivität, Beziehungen zu Gleichaltrigen und Freizeitaktivitäten) und der Familie (d. h. finanzielle Auswirkungen von COVID-19, mütterliche Depression und Angst) zu identifizieren, die mit der psychischen Gesundheit und dem Wohlbefinden von Kindern während der COVID-19-Pandemie korrelieren, nachdem die psychische Gesundheit vor der Pandemie kontrolliert wurde. Diese Studie umfasste 846 Mutter-Kind-Dyaden (Kinder im Alter von 9 bis 11 Jahren) aus der „All Our Families“-Kohorte. [Dyade: enge, emotionale Zweierbeziehungen; rl] Mütter berichteten über die psychische Gesundheit des Kindes vor der Pandemie im Alter von 8 Jahren (2017–2019) und während COVID-19 (Mai–Juli 2020), die finanziellen Auswirkungen der Familie aufgrund von COVID-19 sowie Depressionen und Angstzustände der Mutter.

Während COVID-19 (Juli–August 2020) berichteten Kinder über ihre Bildschirmzeit, Schlaf, körperliche Aktivität, Beziehungen zu Gleichaltrigen und Familien und Freizeitaktivitäten sowie über ihr Glück, ihre Angst und ihre Depression. Nach Kontrolle der präpandemischen Angst, Verbundenheit mit Bezugspersonen (B −0,16; 95 % KI −0,22 bis −0,09), Kinderschlaf (B −0,11; 95 % KI −0,19 bis −0,04) und Kinder-Screening-Zeit (B 0,11; 95 %-KI 0,04–0,17) vorhergesagte COVID-19-Angstsymptome bei Kindern. Nach Kontrolle der präpandemischen Depression sagten die Verbundenheit mit Bezugspersonen (B −0,26; 95 %-KI −0,32 bis −0,21) und die Screening-Zeit (B 0,09; 95 %-KI 0,02–0,16) depressive Symptome von COVID-19 bei Kindern voraus. Nach Kontrolle der Kovariaten prognostizierte die Verbundenheit mit Bezugspersonen (B 0,36; 95 %-KI 0,28–0,39) das Glück des Kindes mit COVID-19. Die Förderung von Eltern-Kind-Beziehungen und die Förderung gesunder Geräte- und Schlafgewohnheiten sind kritische veränderbare Faktoren, die bei der Planung zur Wiederherstellung der psychischen Gesundheit nach einer Pandemie Aufmerksamkeit erfordern.