Digitalisierungsoffensive war gestern

Für mehr Pluralismus in der Medienbildungsdebatte

Von Nils B. Schulz

Zusammenfassung

Mitten in der Take-Off-Phase der deutschen Bildungs-Digitalisierung kommen jetzt die bremsenden Warnungen – und zwar gerade aus den Ländern, an denen man sich so sehr orientiert hatte: aus Skandinavien. Aber auch in Deutschland plädieren immer mehr Medienwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie Lehrkräfte für eine moderate Integration von Digitaltechnik in den Unterricht. Viele von ihnen befürworten eine antizyklische Medienbildung, die der senso-motorischen und psychischen Entwicklung von Kindern entspricht. In diesem Sinne wirbt der Essay für einen neuen Medien- und Methodenpluralismus.

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1. Die „skandinavische Umkehr“

Schulische Unterrichtskonzepte sind modischen Trends unterworfen. Das wissen alle Lehrkräfte, die länger als zwanzig Jahre im Schuldienst sind. Blickt man noch weiter zurück, bis mindestens in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, so stellt man fest, dass sich didaktische Moden gleichsam wiederholen, mit leichten Akzentverschiebungen. So folgen auf technikaffine Konzepte immer wieder Gegenbewegungen. Nach den behaviouristisch inspirierten Sprachlaboren der 1960er Jahre kam die Hinwendung zur Praxis und weniger verdinglichten und entfremdeten Arbeitsformen. „Handlungsorientierung“ und „Ganzheitlichkeit“ waren die Leitbegriffe der 1980er und 1990er Jahre. Diese Phase wurde von einem erneuten Technisierungsschub abgelöst, der sogenannten Digitalisierung, dessen rhetorischer Höhepunkt in Deutschland das 2021 veröffentlichte Strategiepapier „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ war, ein Papier der Kultusministerkonferenz (KMK), das Technik geradezu fetischisiert. Doch zeigte gleichzeitig die Corona-Krise, wie wichtig leibliche Begegnungsräume sind. Man entdeckte die Bedeutung der Lehrer-Schüler-Beziehung und die existentialistische Pädagogik wieder. Das Bindungsthema rückte in den Fokus pädagogischer und didaktischer Aufmerksamkeit – ebenso Fragen der Unverfügbarkeit und der Unstetigkeit von Bildungsprozessen.

Gerade was die Digitalisierung anbetrifft, wurde der deutschen Bildungspolitik in der Vergangenheit ja oft großer „Nachholbedarf“ attestiert. Und jetzt, mitten in der Take-Off-Phase der Bildungs-Digitalisierung, kommen die bremsenden Warnungen – und zwar gerade aus den Ländern, an denen man sich so sehr orientiert hatte: aus Skandinavien. Für die schlechten PISA-Ergebnisse machen Finnland, Schweden und Dänemark die übertriebene Technisierung von Unterrichts-Settings verantwortlich. Kürzlich hat sich sogar der sozialdemokratische dänische Bildungsminister dafür entschuldigt, dass Kinder und Jugendliche zu „Versuchskaninchen in einem digitalen Experiment“ gemacht worden seien. (1) Man werde wieder Schulbücher drucken. Die in den Niederlanden ab 2013 gestarteten „Steve-Jobs-Schulen“ gelten als gescheitert; dieses Projekt hatte Tablets zum Lernen geradezu euphorisch in den Mittelpunkt gestellt. (2) Stattdessen gibt es seit Anfang des Jahres eine dringende Empfehlung, im Unterricht zumindest keine Smartphones mehr zu benutzen. Schwer wiegt vor allem die kritische Stellungnahme des schwedischen Karolinska-Instituts, formuliert von Professorinnen und Professoren für Psychologie, Neurowissenschaften und Neonatalogie, die solidere evidenzbasierte Forschungen und quantitative Studien zum Nutzen von Digitaltechnik im Unterricht einfordern. (3)

Es scheint so, dass man nun beginnt, Neuropsychologen, aber auch Kinder- und Augenärzten zuzuhören. Allein in Europa gelten laut Studien zwischen dreißig und fünfzig Prozent der jungen Erwachsenen und etwa ein Drittel der Kinder und Jugendlichen als kurzsichtig. Als Ursache wird der hohe Bildschirmkonsum genannt. Der Augapfel vieler Heranwachsender kann sich nicht richtig entwickeln. In Südkorea, China und Japan leiden über achtzig Prozent junger Menschen an Kurzsichtigkeit. Das deutsche Ärzteblatt spricht von einer Pandemie. (4) Die aktuelle JIM-Studie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger beziffert allein die Online-Zeit auf fast vier Stunden pro Tag. Je nach Studie variiert die gesamte tägliche Medien-Nutzungszeit Pubertierender zwischen sechs und acht Stunden. Der Therapievorschlag der Neurobiologen und Augenärzte lautet: draußen spielen, sich bewegen, den Blick in die Ferne schweifen lassen, weg von den Bildschirmen – also das tun, was Kinder schon je gemacht haben. Man kann nun einmal die evolutionsbiologischen Voraussetzungen nicht überspringen. Das kindliche Gehirn entwickelt sich über das sensomotorische System durch vielfältiges leibliches, vor allem händisches Tun – und am besten in der dreidimensionalen Natur. Deswegen ist es überhaupt nicht paradox, wenn Neuropsychologen und kritische Medientheoretiker erklären, dass Kinder auf dem Spielplatz oder im Wald klettern und spielen müssen, wenn sie später einmal gute Informatiker werden sollen; denn die dafür benötigten kognitiven Fähigkeiten setzen eine gesunde Gehirnentwicklung voraus.

2. Das Prinzip Verantwortung

So dürfte das reflexhafte Bashing des smartphonekritischen Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer mittlerweile der Vergangenheit angehören. Wie in der Klimadebatte forderte man von ihm und anderen warnenden Kinderärzten mehr Evidenz für ihre Diagnose, dass digitale Medien für Konzentrations- und Schlafstörungen, Hyperaktivität, Depressionen, Kopf- und Nackenschmerzen verantwortlich seien. Wie in der Klimadebatte erklärte man, die zitierten Studien könnten allenfalls Korrelationen benennen, keine Kausalitäten.

Aber anstatt diese Warnungen abzuwehren, hätte man schon in den frühen 2010er Jahren einer „Heuristik der Furcht“ folgen müssen. Der Begriff stammt von dem Verantwortungsethiker Hans Jonas. Mit Blick auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen verweist Jonas‘ Formel darauf, dass man kritische Studienergebnisse so ernst nehmen müsse, dass man sich auf keine „Experimente“ einlässt – um irreparablen Schäden vorzubeugen.

Neben die medizinischen Einwände treten zudem ethische Überlegungen. Auch sie finden allmählich Gehör. Das im vergangenen Jahr erschienene Buch „Wir verlieren unsere Kinder!“ der niedersächsischen Schulleiterin Silke Müller erhielt immerhin den Aufkleber „SPIEGEL Bestseller Platz 1“. Ihr Buch verweist auf die erschreckenden Inhalte, die Jugendliche zwischen 12 und 15 Jahren auf ihren Smartphones teilen, auf dem Weg zur Schule, im Bus oder der Bahn, in den Pausen: Kastrations- und Tierquälerei-Videos, rassistische Memes, Kinderpornografie. Die Schulleiterin, Digitalbotschafterin des Landes Niedersachsen und selbst Befürworterin von Tabletklassen ab dem 7. Schuljahr, beendet das Buch mit dem – wie sie es nennt – märchenhaften Wunsch nach einem generellen Smartphone-Verbot für Kinder bis zum Alter von 12, am besten 14 Jahren. Sie seien dieser Technik entwicklungspsychologisch nicht gewachsen. Ihre Befürchtung: Empathieverlust, Abstumpfung. Vor allem aber sei es die Aufgabe der Schule, Kinder und Jugendliche zu einem medienmündigen Gebrauch der Digitaltechnik zu erziehen, bevor sie diese nutzen. Jonathan Haidts kürzlich auch in Deutschland erschienenes Sachbuch „Generation Angst“ stützt diese Forderung, indem es die psychischen Blockierungen einer smartphonebasierten Kindheit sozialwissenschaftlich untersucht.

In der aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“ räumt ein Drittel der befragten Jugendlichen ein, dass man ihr Nutzungsverhalten suchtartig nennen könnte. Da sind Social-Media-Sprechstunden, wie sie Müller an ihrer Schule etabliert hat, Präventionsteams an Schulen und Informationsabende für Eltern sicherlich wichtige Einrichtungen; dennoch verzweifeln viele Eltern gerade am Social-Media- oder Spiele-Konsum ihrer Kinder und schreiben sich ihre scheiternden Reglementierungsversuche selbst zu. Aber sie haben schlichtweg keine Chance gegen die Produktentwicklungs- und Werbestrategien großer Tech-Konzerne, deren Geschäftsmodell es ist, die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange auf ihren Plattformen zu halten. Haidt zeigt das sehr anschaulich für bestimmte Social-Media-Loops.

Dass gerade auch viele Erwachsene keinen zeitsouveränen Umgang mit ihrem Smartphone haben, soll gar nicht bestritten werden. Dies ist vielmehr ein weiteres medienpädagogisches Problem, wenn man die Vorbildfunktion älterer Menschen für Kinder berücksichtigt; und auch das gehört zum Prinzip Verantwortung.

3. Plädoyer für einen Mittelweg

Vielleicht mag man jetzt einwenden, dass hier Themen vermischt werden, die nicht zusammengehören: die Leistungsdefizite skandinavischer Schülerinnen und Schüler, die hohen Mediennutzungszeiten Jugendlicher, medizinische und psychologische Befunde und schließlich die Debatte um ein Smartphone-Verbot für Kinder. Doch hängen diese Themen eng zusammen. Wir Erwachsenen – und gerade auch Lehrerinnen und Lehrer – tragen die Verantwortung dafür, dass Kinder in ihrer sensomotorischen Entwicklung nicht eingeschränkt werden, dafür, dass sie sich altersgemäß entwickeln können, dass sie eine Kindheit mit möglichst freiem Spiel in einem leiblichen Begegnungsfeld haben.

Und dies scheint am besten zu gehen, indem Unterricht antizyklisch gestaltet wird, wie es der kürzlich verstorbene Technikphilosoph Gernot Böhme formulierte: gegen die Mainstream-Entwicklung sogenannter „digitaler Bildung“, welche Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie ignoriert. Deswegen plädiert Böhme für die Stärkung des Musik-, Kunst-, Werk- und Sportunterrichts. Dem von der Tech-Industrie und deren Lobbyisten forcierten Argument, man müsse möglichst früh den Gebrauch digitaler Werkzeuge erlernen, sollte man gelassen entgegnen, dass die meisten Medien ja eine sehr niedrigschwellige Nutzungskompetenz erfordern. Diese kann man sich später im Jugendalter schnell aneignen; und zudem lassen sich die zugrundeliegenden Fähigkeiten, wie mathemathische Abstraktion, ethische Reflexion und existentielle Selbstbesinnung, am besten ohne Ablenkungsmaschinen erlernen.

So schlägt allmählich die Stunde derer, die eine differenzierte Position vertreten und die man bisher in einer völlig polarisierten Debatte zwischen IT-Enthusiasten und deren Feinden überhört hat. Es gibt nämlich viele Lehrkräfte, die kritisch auf eine eindimensionale Digitalisierungsoffensive blicken – und zwar gerade, weil sie sich mit Computern beschäftigen und oftmals schon als Schüler eine Programmiersprache erlernt haben. Manche von ihnen kennen Computerspielsucht aus ihrer eigenen Jugendzeit ganz genau. Heute lesen sie neben ihrer Bildungsarbeit technikphilosophische und mediensoziologische Bücher. Ihnen ist völlig klar, dass die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen von digitalen Geräten kolonisiert ist und dass man mit ihnen deren reflektierte Nutzung üben muss.

Vor allem sind sie an handwerklichen und technologischen Aspekten des Gebrauchs digitaler Medien interessiert, die sie Schülerinnen und Schülern – oft nebenbei – im Unterricht vermitteln: Wie installiere ich Linux auf meinem Rechner? Welche Apps sollte ich auf jeden Fall meiden, welche Suchmaschinen tracken die Nutzer und welche Alternativen gibt es zu datensammelnden Messenger-Diensten? Welche Gefahren bergen KI-Technologien? Was spielt sich hinter den Oberflächen adaptiver Lernprogramme ab? Die Bildungssoziologin Sigrid Hartong, die im Bereich „Critical Data Sciences“ forscht, hat deswegen im Jahr 2019 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlerinnen aus Erziehungswissenschaft, Soziologie, Bildungsinformatik, Medien- und Gesundheitspädagogik eine Netzwerkinitiative gegründet, die den sprechenden Namen „Unblack the box“ trägt. Das Projekt unterstützt Lehrkräfte dabei, einen kritisch-reflektierenden Blick auf „Funktionsweisen und Wirkmechanismen von Daten(technologien) in bildungspraktischen und bildungssteuernden Kontexten“ zu gewinnen.

Gerade Lehrerinnen und Lehrer, die eine reflektierte Perspektive verfolgen, wenden sich Fragen des redaktionellen Schreibens, der Textlinguistik und der visuellen Kommunikation zu – und überlegen, welche Antworten ihr Unterricht auf die weitverbreitete und mittlerweile selbstverständliche Nutzung von Large Language Models wie ChatGPT geben kann – jenseits der stereotypen Forderung nach „Integration“ in den Unterricht; denn jede Lehrkraft, in deren Lerngruppe Schülerinnen und Schüler ein Wiki erstellen oder via Etherpad einen gemeinsamen Text schreiben, weiß, welch hohe Akzeptanz auch unlogisch verkettete Sätze genießen. So muss die Vermittlung stilistischer und grammatischer Reflexion des eigenen Schreibens im Vordergrund stehen, wenn Schülerinnen und Schüler KI-generierte Fremdtexte für ihre Textproduktion verwenden möchten. Auch das ist ein Beispiel für antizyklische Medienbildung.

So plädiert die „Mittelweg-Fraktion“ der Lehrkräfte für eine moderate Integration von Digitaltechnik in den Unterricht. Im Zentrum steht für sie immer das Bindungs- und Resonanzthema – im Wissen darum, dass junge Menschen sich an interessanten Inhalten bilden, für die Lehrerinnen und Lehrer engagiert und verantwortungsbewusst einstehen. Diese trianguläre Situation zwischen Lehrkraft, Sachinhalt und Lernenden ist gleichsam eine pädagogische Konstante; auch sie darf nicht übersprungen werden. Zu extensiver Einsatz technischer Geräte zerbricht das „Resonanzdreieck“, wie der Soziologe Hartmut Rosa es nennt.

Medienmündigkeit bedeutet für Lehrkräfte, die eine maßvolle Digitalisierung befürworten, dass nicht nur sie, sondern auch die Kinder und Jugendlichen entscheiden lernen, wann, wie und zu welchem Zweck sie digitale Medien verwenden – und wann sie diese ruhen lassen, draußen, face-to-face mit anderen beim Spielen und Abhängen, was sie auch Langeweile erfahren lässt. Ohne Phasen der Langeweile gibt es keine Kreativität. Auch das ist ein neuropsychologisches Credo. Gehirne brauchen Leerlauf, um sich zu erholen.

Liest man „Visible Learning 2.0“, die kürzlich erschienene zweite Folge der Meta-Studie John Hatties, so scheint sie genau diese Forderung nach einer maßvollen Digitalisierung zu bestätigen. Hattie erklärt nämlich, dass Technik im Unterricht vor allem dann wirksam ist, wenn sie gezielt und pädagogisch reflektiert eingesetzt wird. Seine Botschaft ist, dass in „den meisten Klassen der Industrieländer“ die positiven Auswirkungen viel höher wären, „wenn die Technologie nicht allgegenwärtig wäre“. Diese Erkenntnis passt sowohl zu einer antizyklischen Medienbildung als auch zu einem Konzept, das für einen Medienpluralismus wirbt. So begegnen Kinder und Jugendliche den Lehrkräften in je verschiedenen Weisen des Zur-Welt-Seins, wie das der französische Phänomenologe Maurice Merleau-Ponty einmal nannte, und erfahren, dass nicht alle Erwachsenen die Welt durch einen einzigen, nämlich digitalen, Kanal wahrnehmen und gestalten. Es ist eine pädagogische Binsenweisheit, dass Schülerinnen und Schüler methodische und mediale Abwechslung schätzen.

4. Schluss

Teilt man diese moderate und an der kindlichen Entwicklung interessierte Perspektive, so kann man ganz entspannt auf mögliche weitere Finanzierungsdebatten um den „Digitalpakt Schule“ schauen; denn wir benötigen keine Schulen mit Tablet-Klassen in allen Jahrgängen, welche sowohl die Bildschirmzeiten junger Menschen als auch die Profite der Tech-Industrie weiter in die Höhe treiben. Nicht in jedem Klassenzimmer muss ein digitales Whiteboard hängen. Medien- und Methodenpluralismus sieht anders aus.

Die kürzlich erzielte Einigung zwischen Bund und Ländern bezüglich des „Digitalpakts 2.0“ steht unter einem gewissen Vorbehalt. Sie ist abhängig von Haushaltsentscheidungen der zukünftigen Bundesregierung. Am besten würde das Geld vor allem in Computerräume und eine alternative IT-Infrastruktur investiert werden, welche die Schulen unabhängiger von der Ed-Tech-Industrie (5) und der Plattformökonomie macht, wie es der Offenburger Medientheoretiker Ralf Lankau seit Jahren vorschlägt. Schulen sollten Lernenden die Möglichkeit geben, aktiv und reflektierend mit Digitaltechnik zu arbeiten, auch offline, anstatt sie zu Rezipienten adaptiver Lernsoftware mit Learning-Analytics-Systemen zu machen. Auch müsste dringend ein neues Schulfach „Medientheorie“ oder „Medienmündigkeit“ ab dem 7. Schuljahr eingeführt werden, das Lehrkräfte unterrichten, deren Ausbildung sowohl sozialwissenschaftlich als auch medienphilosophisch geprägt ist und die zugleich über fundierte Kenntnisse im Fach Informatik verfügen. Wenn man schon ständig von „digitaler Revolution“ und „disruptiver Technologie“ spricht, dann kann man nicht – wie es das KMK-Strategiepaier aus dem Jahr 2016 fordert – den notwendigen Wissenserwerb in die jeweiligen Fächer-Curricula „integrieren“.

In vielen alten Weisheitslehren gibt es den Hinweis, dass man beim Lernen das unvermeidbare Risiko eingeht, Fehler zu machen; doch man sollte jeden Fehler nur möglichst ein Mal machen. Den Fehler, Technik zu fetischisieren und Bildungs- und Emanzipationsversprechen daran zu knüpfen, hat man jetzt das zweite Mal gemacht; aber die Chancen stehen gar nicht so schlecht, dass dieser nun wissenschaftlich aufgearbeitet wird. Dazu passt dann auch die Forderung nach einem Moratorium der Digitalisierung in KITAs und Schulen, das im vergangenen Jahr viele deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterzeichnet haben. (6) Eine Pause, ein nachdenkliches Innehalten, im dauerbeschleunigten Hamsterrad „Schule“ täte sowieso allen Beteiligten gut.

Literatur und Quellen

  1. Siehe dazu die Zusammenfassung des Offenburger Medientheoretikers Ralf Lankau: https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/paedagogik-statt-experimente-mit-schuelern-als-versuchskaninchen.html (abgerufen am 27.10.2024)
  2. Siehe Ingo Leipner, Die Katastrophe der digitalen Bildung. Warum Tablets Schüler nicht klüger machen – und Menschen die besseren Lehrer sind, München 2020, S. 36ff.
  3. Siehe https://die-pädagogische-wende.de/karolinska-institut-schweden-stellungnahme-zur-nationalen-digitalisierungsstrategie-in-der-bildung/ (abgerufen am 26.10.2024)
  4. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/154531/Eine-wahre-Pandemie-Myopie-bei-Kindern-und-Jugendlichen (abgerufen am 27.10.2024)
  5. „EdTech“ ist die Abkürzung für „Education Industry“. Mit diesem Begriff werden Firmen bezeichnet, die Hard- und Software für Bildungseinrichtungen produzieren.
  6. Text des Aufrufs und Liste der Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner: https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/wissenschaftler-fordern-moratorium-der-digitalisierung-in-kitas-und-schulen.html (abgerufen am 09.01.2025)

Bibliographie: Schulz, Nils B.: Digitalisierungsoffensive war gestern. Für mehr Pluralismus in der Medienbildungsdebatte, GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik, 1-2025, S. 22-27.
https://doi.org/10.3224/gwp.v74i1.04