Gutachten: Die „Digitale Welt“ im Diskurs

Gutachten von Prof. Dr. Karl-Heinz Dammer (PH Heidelberg) zum „Impulspapier II: Zentrale Entwicklungsbereiche des Lernens in der digitalen Welt“ des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen für den Philologenverband NRW

Wer wissen will, warum die Bildungspolitik der Länder regelmäßig und mit Ansage scheitert, lese exemplarisch das „Impulspapier II: Zentrale Entwicklungsbereiche des Lernens in der digitalen Welt“ des Kultusministeriums Nordrhein-Westfalen – und das Gutachten, das der Heidelberger Professors für Pädagogik, Karl-Heinz Dammer im Auftrag des Philologenverbandes NRW zu diesem Digitalisierungskonzept publiziert hat.

Denn dieses „Impulspapier“, bei dem weder Autorinnen oder Autoren noch Quellen oder Literatur für die formulierten Positionen angegeben sind, könnte – den Standardphrasen und Plastikwörtern (Buzzwords) nach – statt vom Ministerium genau so gut von einer Gütersloher Stiftung, einem neoliberalen „Think Tank“ oder einem der Lobbyverbände der IT-Wirtschaft geschrieben worden sein. Es werden nur bekannte Positionen pro Digitaltechnik wiederholt, ohne kritische Perspektiven zu berücksichtigen oder die durch zahlreiche Studien belegten Erfahrungen des Distanzunterrichts in der Pandemie auch nur anzusprechen. Digital first scheint die Devise des Ministeriums und selbst beim Scheitern wird munter „Digital als das neue Normal“ postuliert …

Schulen sind aber gerade keine digitalen (virtuellen) Räume, sondern notwendig reale und physische Lebensräume für die Begegnung und das Leben und Lernen in Gemeinschaft. Das Impulspapier legt den Fokus stattdessen u.a. auf die Nutzung von Steuerungsinstrumenten und die Erprobung und Weiterentwicklung von Formen der Leistungsüberprüfung. Das reduziert Schule und Bildung auf Messbares. (Dazu ist Digitaltechnik in der Tat gut geeignet.) Der geforderte Änderung der Haltungen und Einstellungen von Lehrkräfte oder die Förderung der (Lern)Motivation können hingegen nur als übergriffig bezeichnet werden.
Dieses Impulspapier steht damit in einer Reihe mit anderen Publikationen zum „Digitalpakt Schule“ 2016 oder dem KMK-Papier von 2021 „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ und belegt einmal mehr die Eindimensionalität der Digitalisierungstrategie der KMK auf der einen und die Notwendigkeit des Widerstandes gegen die neoliberale Verzweckung von Bildungseinrichtungen zu Lernleistungskontrollanstalten auf der anderen Seite. Das verdeutlicht das Gutachten des Heidelberger Kollegen durch eine nüchternen Analyse einmal mehr.

Impulspapier NRW (PDF): Impulspapier II: Zentrale Entwicklungsbereiche des Lernens in der digitalen Welt

Gutachten Prof. Dr. Karl-Heinz Dammer: Die „Digitale Welt“ im Diskurs. Gutachten zur Digitalstrategie der KMK und des Landes NRW aus bildungspolitischer Sicht