Lesch und Zierer fordern ein Smartphone-Verbot in Schulen und eine pädagogische Zeitenwende. In ihrem gemeinsamen Buch „Gute Bildung sieht anders aus: Welche Schulen unsere Kinder jetzt brauchen“ ziehen Lesch und Zierer Schlussfolgerungen für eine Schule, die bildet und nicht abrichtet für industrielle Interessen.
Von Peter Hensinger
Harald Lesch, Physikprofessor an der LMU München, prominenter Wissenschaftsvermittler, und Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg fordern eine Revolution (!) im Bildungswesen, um die katastrophalen Zustände zu überwinden. Warum sofort ungesteuert werden muss, erläutern sie in einer 45-Minuten-Sendung im NDR und ihrem gemeinsamen Buch „Gute Bildung sieht anders aus“. Auch der Sozialwissenschaftler Prof. Tim Engartner fordert in seinem Buch „Raus aus der Bildungsfalle. Warum wir die Zukunft unserer Kinder gefährden“ eine sofortiges Umdenken. Die Bildungspolitik müsse sich vom Einfluss der Industrie befreien. Er stellt fest: Die Digitalisierung des Bildungswesens ist nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems.
DAS! mit Harald Lesch und Bildungsforscher Klaus Zierer // 05.02.2025 ∙ DAS! ∙ NDR
Im der NDR-Sendung DAS! frägt der Moderator Lesch & Zierer: „Den Digitalpakt braucht keiner, wir brauchen einen Bleistift- und Papierpakt!?“ (ab Minute 27:15) Daraus entwickelt sich eine Diskussion über die Erfahrungen und Studienlage zur Wirkung der digitalen Medien auf das Lernen von Kindern. Die Schlussfolgerung der beiden Experten: Wir brauchen ein Handyverbot mindestens bis einschließlich der Grundschule. Die Smartphonenutzung an der Schule und im Unterricht zerstört die Aufmerksamkeit, die Konzentration und verhindert Sozialkontakte. Verbote, mit pädagogischer Begleitung, schaffen sofort eine bessere Schul- und Lernatmosphäre.
In ihrem gemeinsamen Buch „Gute Bildung sieht anders aus: Welche Schulen unsere Kinder jetzt brauchen“ ziehen Lesch/Zierer Schlussfolgerungen für eine Schule, die bildet und nicht abrichtet für industrielle Interessen (Buchbesprechung s.u.).
UNESCO: Immer mehr Länder beschließen Smartphoneverbote
Die Erkenntnisse der negativen Auswirkungen der Digitalisierung setzen sich weltweit durch: „To ban or not to ban?“ Das Update der UNESCO zur Smartphone-Nutzung in Schulen ergab: Bis Ende 2023 hatten 60 nationale Bildungssysteme (oder 30 %) die Smartphone-Nutzung in Schulen in ihren Gesetzen oder Richtlinien verboten. Ein Update, das der GEM-Bericht (Global Education Monitoring Report) zum Internationalen Tag der Bildung erstellt hat, zeigt, dass bis Ende 2024 19 weitere Bildungssysteme die Smartphone-Nutzung in der Schule verboten haben, was die Gesamtzahl auf 79 (oder 40 %) erhöht.
Deutschland: Zwei Drittel für Smartphoneverbot
Aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Eltern in Deutschland ein Smartphone-Verbot an Schulen befürwortet. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprechen sich 66 Prozent der Befragten für ein solches Verbot aus. Wann handelt die Bildungspolitik endlich? Doch Verbote reichen nicht, es braucht eine Erziehung zur Medienmündigkeit und eine Rückbesinnung auf Pädagogik und Bildung. Dazu sind zwei neue Bücher erschienen, die die Ursachen der Bildungskatastrophe analysieren und Wege aus der Misere zeigen.
Das Buch: Gute Bildung sieht anders aus
Gute Bildung sieht anders aus.
Welche Schulen unsere Kinder jetzt brauchen.
Vvon Harald Lesch und Klaus Zierer
Lesch und Zierer entwickeln eine Vision von Schule, von der sie fordern, dass sie umgehend umgesetzt wird. „Es braucht eine Revolution im Bildungssystem“ (S.8), denn die sogenannten „Reformen“ der letzten Jahrzehnte in den staatlichen Schulen hatten verheerende Auswirkungen:
- „Schule tötet nicht nur die Kreativität von Kindern und Jugendlichen, sie kann sogar krank machen.“ (S.9)
Denn so Lesch und Zierer: „Seit über zehn Jahren geht es mit den Lernleistungen abwärts – beim Lesen, beim Schreiben, beim Rechnen und in den Naturwissenschaften“ (S. 18). Die Ursache: Unter dem Einfluss der Industrie „wurde die Tradition des Humanismus zu Grabe getragen, die nicht auf Messbarkeit setzt, sondern Bildung ganz anders versteht: nämlich als Zweckfreiheit“ (S.13). Die Warnungen vor den negativen Folgen der von der Industrie geplanten Ökonomisierung der Bildung lagen schon lange vor, u.a. in den Standardwerken von Jochen Krautz „ Die Ware Bildung“ (2007) und Richard Münch „Der bildungsindustrielle Komplex“ (2018). Lesch und Zierer entwerfen einen Ausweg aus der Katastrophe, in die der neoliberale Umbau des Bildungswesens geführt hat.
Das Buch ist klar und verständlich geschrieben, was sowohl Fachleuten aus dem Bildungsbereich als auch interessierten Laien den Zugang erleichtert. Lesch bringt seine pointierten Beobachtungen und seinen naturwissenschaftlichen Blickwinkel ein, während Zierer fundierte bildungstheoretische Analysen liefert. Diese Kombination führt zu einer spannenden Mischung aus Praxis- und Theoriekritik. Die Autoren verwenden zahlreiche Beispiele aus dem Schulalltag, wissenschaftliche Studien sowie gesellschaftliche Analysen, um ihre Thesen zu untermauern.
Link zum Verlag (Penguin): Gute Bildung sieht anders aus