Inkonsistenz der Regeln

Von: C. H., Lehrerin an einer Gesamtsschule in NRW

Orgafragen

Die willkürlichen Wechsel, wie es in den kommenden ca. zwei Wochen weitergeht, erleben wir nun schon seit den Sommerferien. Bekannt gegeben wird die Regelung erst zum Wochenende vor Schulstart, sodass ein langfristiges Planen überhaupt nicht mehr möglich ist. Damit habe ich mich arrangiert und obwohl ich immer noch große Probleme mit dieser spontan-Planung habe, bekomme ich das hin und akzeptiere dies. Es ist andererseits aber ein Mehraufwand an Arbeitszeit und -energie, der nicht zu unterschätzen ist. Für uns Erwachsene ist das noch einzuordnen und zu bewältigen. Aber dass sich die Kinder darauf einstellen müssen und ich auch oft ahnungslos keine verlässliche Auskunft über die Folgewoche geben kann, stört mich sehr. Kinder und Jugendlichen brauchen Verlässlichkeit und es ist an der Stelle m. E. vielleicht vertretbar und auszuhalten, beispielsweise zwei Monate Distanzunterricht anzuordnen, um eine Pandemie zu bekämpfen, aber nicht im zweiwöchigen Rhythmus die Modalitäten für Unterricht zu ändern.

Mein Berufsbild hat sich m. E. komplett gewandelt. Ich fühle mich als Aufseher und Wächter über die Maskenpflicht, gleichzeitig möchte ich meine Schüler*innen schützen und ausreichend Maskenpausen ermöglichen. Zu welchen Bedingungen und wann, wie oft und so weiter, das wurde mir aber nicht mitgeteilt. Auch eine Schulung zum Umgang mit den Masken haben wir nicht erhalten. Kinder und Jugendlichen tragen die Masken (wie es laut Ministeriums-Info nötig wäre) teilweise tagelang, sie werden dreckig, fusseln, wandern in die Taschen oder auf die Tische, werden dann wieder aufgesetzt. Hier nehme ich auch uns Erwachsene nicht heraus – auch hier entstehen viele Tragefehler. Ich versuche an der Stelle die Kinder immer wieder auf den richtigen Gebrauch der Masken hinzuweisen und ausreichend (?) Maskenpausen einzuführen.
Gegen das Testen habe ich mich gegenüber der Schulleitung ausgesprochen und es wurde eine interne Lösung gefunden, sodass ich diese zumindest nicht mehr begleiten muss. Im Falle eines positiven Testergebnisses ist es mir aus pädagogischer Sicht fast lieber, ich begleite ein mir bekanntes Kind.
Ich ganz persönlich kann zwischendurch und ca. 30-60 Minuten nach dem längeren Maske-Tragen nichts essen, weil daraufhin Bauchkrämpfe folgen, die schon 20 Stunden anhielten. Das habe ich mehrfach beobachtet und ausprobiert und riskiere das Essen einfach nicht mehr – ärztlich abgeklärt ist das nicht, aber schränkt mich in meiner persönlichen Lebensweise ein.

Die Kinder und Jugendlichen wollen primär alles richtig machen und sich gegenseitig schützen. Ich hatte zu Schuljahresbeginn mit meiner Klasse diskutiert, aufgrund der damaligen Datenlage, was sie sich für einen Umgang mit den Masken wünschen. Es stellte sich heraus, dass sie die Masken eher strenger tragen wollten, als gefordert. Dies zeigt mir, dass die Kinder solidarisch und gemeinschaftlich handeln wollen. Dieses Denken wird ihnen m. E. nun genommen und sie müssen sich aktiv wehren, wenn sie nicht in der Lage sind, z. B. die Maske zu tragen.

Viele Kinder nehmen das Tragen der Masken mittlerweile hin und haben auch kein Problem damit. Das finde ich ist ein sehr erwachsener Umgang mit dem Thema, weil sie es aus einem Pflichtgefühl heraus tun. Andererseits gibt es für Gegenstimmen keinen Raum mehr. Niemand möchte Schuld sein, wenn die Oma eines Mitmenschen stirbt, nur weil man selbst etwas falsch gemacht hat.

Zu meinen datenschutzrechtlichen Bedenken bzgl. der Erhebung von Gesundheitsdaten fehlt mir die Kraft, mich zu äußern, nach vielen problematischen Gesprächen bzgl. des Distanzlernens.
Meinem pädagogischen Anspruch werde ich nicht gerecht. Daher habe ich diesen reduziert auf das Ziel „Wir kommen gut durch die Pandemie“ und führe viele Einzelgespräche, begleite meine Klasse hoffentlich gut individuell bei Rückfragen.

Für den Rest des Schuljahres wünsche ich mir gar nichts mehr. Ich zähle die Tage bis zu den Sommerferien und hangel mich von Tag zu Tag. Etwas anderes ist mir aktuell nicht mehr möglich, da sich mit der neuen Regelung, dass ab einem Inzidenzwert von 200 die Schule zu ist, quasi täglich die Unterrichtssituation ändern könnte.

Zum Glück arbeite ich an einer tollen Schule und kann dort inhaltlich und pädagogisch relativ frei handeln und den Jugendlichen gute Aufgaben stellen, die der Situation angepasst sind und nicht der Abschlussprüfung. Natürlich habe ich dennoch Bildungsziele im Hinterkopf und versuche diese zu bedienen. Aber das geht im Wechsel-, Distanz- oder Normalunterricht eben auf jeweils unterschiedliche Arten und ist nicht gleichermaßen gut.

Es gibt auch Kinder, denen tut das Distanzlernen für ihr Lernen gut, sie machen Fortschritte, die sonst nicht möglich gewesen wären. Allerdings lernen sie aktuell wenig über das soziale Miteinander. Das ist es, was den Kindern und Jugendlichen fehlt. Der Austausch, die Auseinandersetzung und Verhandlung mit anderen Menschen. Mich wundert sehr, dass in den Medien das Inhaltliche so im Fokus steht und man von Nachhilfe spricht. Ist es noch nicht im der Gesellschaft angekommen, dass Lernen nicht nach dem Modell des Nürnberger Trichters funktioniert? Jedenfalls möchte ich für meine Klasse behaupten, dass ich inhaltlich mit ihnen gut arbeiten konnte und jede/r hier auch etwas gelernt hat und weiter gekommen ist. Was fehlt, ist das Soziale.