Studie: Leopoldina fordert mehr Schutz von Minderjährigen in sozial nur genannten Medien

Für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen ist die Nutzung „sozial“ genannter Online-Medien in Deutschland mittlerweile Teil ihres alltäglichen Medienkonsums. Dabei zeigen zunehmend mehr Kinder und Jugendliche ein riskantes, zum Teil suchtartiges Nutzungsverhalten. Folgen sind Depressions- und Angstsymptome, Aufmerksamkeits- oder Schlafprobleme u.v.m. Zwar sei ein Großteil der verfügbaren Evidenz über Folgen der Bildschirmmediennutzung korrelativer und nicht kausaler Natur. Aber Querschnittstudien belegen einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und einer zunehmenden psychischen Belastung.

Die Autorinnen und Autoren sprechen sich daher explizit für das Vorsorgeprinzip aus: Es besagt, dass bereits dann vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn es Hinweise auf mögliche schädliche Auswirkungen gibt, selbst wenn es wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist (bzw. nie eindeutig geklärt werden kann), wie groß das Risiko tatsächlich ist.

Um Kinder und Jugendliche vor negativen Folgen sozialer Medien zu schützen, formulieren die Autorinnen und Autoren der Leopoldina-Fokusgruppe Digitalisierung konkrete Handungsempfehlungen wie z.B. altersabhängige Zugangs- und Funktionsbeschränkungen oder das Verbot bestimmter Techniken.

Dazu gehören:

  • Etablierung einer zuverlässigen digitalen Infrastruktur zur Altersverifikation, etwa die ab 2026 in allen EU-Mitgliedstaaten verpflichtend einzuführende EUDI-Wallet (European Digital Identity Wallet: ein digitaler Ausweis mit Geldbörse, mit der man sich EU-weit digital ausweisen und (ab dem entsprechenden Alter)  Verträge rechtsgültig unterzeichnen kann.
  • Nutzung „sozialer“ Medien frühestens mit 13 Jahren.
  • Automatische Sperrung von Online-Konten nach 45 Minuten.

Für alle Konten von unter 18-Jährigen (Zitat S. 39)

  • Verbot von Werbung für Produkte und Inhalte, die die psychische
    und physische Gesundheit gefährden können
  • altersgerechte algorithmische Vorschläge
  • keine personalisierte Werbung
  • keine Generierung von Nutzungsprofilen
  • keine Partneranzeigen
  • keine Möglichkeit zur werbebasierten Monetarisierung
    (z. B. bezahlte Produktplatzierung, Affiliate-Links, Sponsoring)
  • Datenschutzrichtlinien und -einstellungen in einfacher und leicht
    verständlicher Sprache
  • Für Konten von unter 16-Jährigen ergänzend:
    ausschließlich Inhalte und Interaktionen mit bereits bestätigten
    Kontakten
  • kein Live-Streaming (weder Hosting noch passiver Konsum)
  • keine Push-Nachrichten, kein Autoplay und kein endloses
    Scrollen („infinite scrolling“)

Und weiter:

  • Für 13- bis 15-jährige Jugendliche sollten soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein.
  • Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei algorithmischen Vorschlägen zu INhaten, vor allem aber durch ein Verbot von personalisierter Werbung und Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen (= Verbot persuasiver, d.h. Verhaltensändernder Techniken).
  • Für Konten von unter 16-Jährigen ergänzend: ausschließlich Inhalte und Interaktionen mit bereits bestätigten Kontakten, kein Live-Streaming (weder Hosting noch passiver Konsum), keine Push-Nachrichten, kein Autoplay und kein endloses Scrollen („infinite scrolling“)
  • Einsatz von Smartphones in Schulen erst ab Klasse 11

Um einen reflektierten Umgang mit sozialen Medien zu fördern, schlagen die Autorinnen und Autoren vor, einen digitalen Bildungskanon in Kitas und Schulen zu verankern, der Kinder und Jugendliche auf Themen des digitalen Lebens vorbereitet. Die Kompetenzen von Lehr- und Erziehungsfachkräften sollten gestärkt werden, um riskantes bzw. suchtartiges Nutzungsverhalten frühzeitig erkennen und adressieren zu können. Niedrigschwellige Public-Health-Kampagnen sollten Familien zudem über die Einflüsse sozialer Medien auf die psychische Gesundheit sowie über die Möglichkeiten einer positiven Gestaltung der Social-Media-Nutzung informieren. Zudem bedarf es weiterer Forschung, um die Wirkmechanismen der Nutzung sozialer Medien in dieser Altersgruppe besser zu verstehen und die Effektivität der Schutzmaßnahmen zu evaluieren. (PM 13.8.2025)

Hintergrund: Die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, berät politische Entscheidungsträger unabhängig und wissenschaftsbasiert zu gesellschaftlich relevanten Fragen. Die Akademie erarbeitet interdisziplinäre Stellungnahmen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und zeigt mögliche Handlungsoptionen auf. Entscheiden müssen auf Basis dieser Erkenntnisse demokratisch legitimierte Vertreter der Politik und Gesellschaft.

Leopoldina (Berlin), Leopoldina-Fokusgruppe Digitalisierung (August 2025)

Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (2025)

Web: https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/soziale-medien-und-die-psychische-gesundheit-von-kindern-und-jugendlichen-2025/

PDF-Download: https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Diskussionen/2025_Diskussionspapier_Soziale_Medien.pdf