Lerndefizit durch Corona sind immens

Drei Forscher kommen in einer Meta-Anaylse zu Lerndefiziten durch die Coronapandemie zu dem Ergebnis, dass von Schulschließungen und Fernunterricht betroffenen Kinder und Jugendlichen mehr als ein Drittel des normalen Lernzuwachses pro Schuljahr verloren haben. Neben den konkreten Lerndefiziten in verschiedenen Schulfächern erfassten Bastian Betthäuser (Institut d’études politiques de Paris), Anders Bach-Mortensen (Oxford University) und Per Engzell (University College London) auch soziodemografische Daten zum Vergleich.

Das Ergebnis: Lernfortschritte haben sich in der Coronapandemie erheblich verlangsamt. Weder zwischen den Klassenstufen nich zwischen den Geschlechtern gab es signifikante Unterschiede, wohl aber zwischen den Fächern. Mit am größten waren Lerndefizite in Mathematik, was nicht erstaunt. Das gemeinsame Lesen mit Kindern ist den meisten Eltern eher möglich als Mathematikaufgaben zu lösen.

Der deutsche Bildungsforscher Klaus Zierer (Universität Augsburg) befürchtet laut Artikel in Spektrum.de, dass »sich eine ›Generation Corona‹ bildet, die besonders stark unter der Pandemie gelitten hat«. Die Lernlücken zu schließen, stelle sich als schwierig heraus. Es treffe besonders die Jüngsten im System mit einem bildungsfernen Hintergrund aus wirtschaftlich schwachen Ländern, was einmal mehr die Bildungsungerechtigkeit sowohl in Deutschland wie in der Welt zeige.

Auch sei die Digitalisierung kein „Retter in der Pandemie“, sondern zum Treiber von Bildungslücken geworden. »Was vielfach geschehen ist – Lernenden Tablets in die Hände zu drücken und zu hoffen, dass diese positiv wirken –, ist als gescheitert anzusehen«, sagt er laut Spektrum-Artikel. Der Konsum digitaler Medien habe sich dadurch in der Freizeit sogar noch erhöht. (zit. n. Spektrum.de)


Die Studie

Eine systematische Überprüfung und Meta-Analyse der Erkenntnisse über das Lernen während der COVID-19-Pandemie

Betthäuser, B.A., Bach-Mortensen, A.M. & Engzell, P. A systematic review and meta-analysis of the evidence on learning during the COVID-19 pandemic. Nat Hum Behav (2023). https://doi.org/10.1038/s41562-022-01506-4

Zusammenfassung

Inwieweit hat sich der Lernfortschritt von Kindern im Schulalter während der COVID-19-Pandemie verlangsamt? Eine wachsende Zahl von Studien befasst sich mit dieser Frage, aber die Ergebnisse variieren je nach Kontext. Hier führen wir eine vorregistrierte systematische Überprüfung, Qualitätsbeurteilung und Metaanalyse von 42 Studien aus 15 Ländern durch, um das Ausmaß der Lerndefizite während der Pandemie zu beurteilen. Wir stellen fest, dass insgesamt ein erhebliches Lerndefizit besteht (Cohen’s d = -0,14, 95 % Konfidenzintervall -0,17 bis -0,10), das schon früh in der Pandemie auftrat und im Laufe der Zeit anhält. Die Lerndefizite sind besonders groß bei Kindern mit niedrigem sozioökonomischem Hintergrund. Sie sind auch in Mathematik größer als im Lesen und in Ländern mit mittlerem Einkommen größer als in Ländern mit hohem Einkommen. Es fehlt an Erkenntnissen über die Lernfortschritte während der Pandemie in Ländern mit niedrigem Einkommen. Künftige Forschungsarbeiten sollten sich mit dieser Beweislücke befassen und die von uns festgestellten allgemeinen Risiken der Verzerrung vermeiden.

A systematic review and meta-analysis of the evidence on learning during the COVID-19 pandemic

Betthäuser, B.A., Bach-Mortensen, A.M. & Engzell, P. A systematic review and meta-analysis of the evidence on learning during the COVID-19 pandemic. Nat Hum Behav (2023). https://doi.org/10.1038/s41562-022-01506-4

Abstract

To what extent has the learning progress of school-aged children slowed down during the COVID-19 pandemic? A growing number of studies address this question, but findings vary depending on context. Here we conduct a pre-registered systematic review, quality appraisal and meta-analysis of 42 studies across 15 countries to assess the magnitude of learning deficits during the pandemic. We find a substantial overall learning deficit (Cohen’s d = −0.14, 95% confidence interval −0.17 to −0.10), which arose early in the pandemic and persists over time. Learning deficits are particularly large among children from low socio-economic backgrounds. They are also larger in maths than in reading and in middle-income countries relative to high-income countries. There is a lack of evidence on learning progress during the pandemic in low-income countries. Future research should address this evidence gap and avoid the common risks of bias that we identify.


Siehe dazu auch den zitierten Spektrum-Artikel (News / 31.01.2023):

Lerndefizit der »Generation Corona« ist immens

Schülerinnen und Schüler haben während der Coronapandemie 35 Prozent des normalen Lernfortschritts eingebüßt. Die Lücken sind in einkommensschwachen Familien am größten – und in Mathe. von Katharina Menne (Spektrum)