Maßnahmen an Grundschulen relativieren

Von: Julia S.

Die aktuellen Verordnungen an Grundschulen, die eine generelle Maskenpflicht „in und außerhalb des Unterrichts“ beinhalten und ab Montag auch eine Testpflicht für Grundschüler verlangen, stellen uns Lehrkräfte vor enorme Herausforderungen.

Nicht nur, dass uns die Sorge umtreibt, ob alle Kinder unter diesen erschwerten Bedingungen die notwendigen Basics erlernen, aktuell hat man das Gefühl, über alles wachen zu müssen: Tragen die Schüler die Masken korrekt? Tragen manche Kinder die Masken vielleicht zu lange? Werden von Elternseite alle Negativtests korrekt abgegeben? Sind die Lernpakete selbsterklärend gestaltet? Wie oft sollte ich Onlineunterricht halten? Wann sind die Notbetreuungen zu leisten? Hat man alle Schüler im Blick? Hält man sich als Lehrkraft aktuell an die Verordnung? Wie sieht es mit dem aktuellen Inzidenzwert aus? Was ist, wenn Mitte nächster Woche in der Präsenzunterrichtszeit die Schulen geschlossen werden? Bin ich darauf vorbereitet?

Diejenigen, die aktuell am meisten unter der Mischung Wechsel- und Fernunterricht leiden, sind Kinder und Jugendliche, die nicht über die notwendigen Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen verfügen und dringend auf Hilfe angewiesen sind. Insbesondere Kinder, die gerade jetzt erst die deutsche Sprache lernen, werden um äußerst wichtige Sozialkontakte gebracht. Gerade im Bereich der Vorbereitungsklassen hätte ich mir als Lehrkraft gewünscht, dass von Seiten der Bildungsinstitutionen für diese Kinder von Anfang an Sprachnotgruppen vor Ort eingerichtet werden. Ergänzend dazu wäre ein frühzeitiger punktueller Einsatz von Onlineunterricht schon letztes Jahr sinnvoll gewesen. Die dafür notwendigen Tablets kamen allerdings jetzt erst an die Schulen. Onlinekonferenzen via Moodle können jedoch nur eine Brückenhilfe sein, denn sie verzögern das Lerntempo und führen nach 60 Minuten zur Konzentrationsminderung. Kein Vergleich zu wahrem Präsenzunterricht.

Vorschläge

Ich frage mich, ob man nicht denjenigen, die im Kulturbetrieb beschäftigt sind, vorübergehend (oder später dauerhaft) das Angebot unterbreitet für eine gewisse Zeit in Schulen zu unterstützen und dafür einen Honorarersatz für entgangene Gagen zu erhalten? Gerade Künstler, ob Musiker, Schauspieler oder anderweitig Kreative sind oft sehr offen und empathisch und wären an Schulen auch emotional eine wichtige Stütze. Gerade in Zeiten, in denen alles eingeschränkt wird, was uns ausmacht, benötigt man kreative Köpfe, die Kindern Mut zusprechen, um diese Zeit gut zu überstehen.

Unterrichtsformen

Ebenfalls nicht zu verstehen ist die Verwendung des Begriffs „Präsenzunterricht“.
Ab Montag wird in Baden-Württemberg zum zweiten Male ein Wechselmodell eingesetzt, das Kindern für 2,5 Tage einen Präsenzunterricht ermöglicht und sie anschließend für 7,5 Tage wieder in den Fernunterricht schickt. Den Nutzen dieses Modells erschließt sich mir als Lehrkraft nicht wirklich. Organisatorisch ist dies ein enormer Stressfaktor, da Inhalte mit Bedacht ausgewählt werden müssen.

Maske

Auch kann ich nachvollziehen, wenn Eltern ihre Kinder vom Präsenzunterricht abmelden, da sie nicht wünschen, dass ihr Kind von 8 Uhr bis 13 Uhr „draußen wie drinnen“ mit nur wenigen Unterbrechungen durchweg eine medizinische Maske im Unterricht trägt. Nicht nur aus pädagogischer Sicht ist die Maske ein Kommunikationshindernis, auch entsteht der Eindruck, dass die Kinder sich nicht so frei und ungehemmt, insbesondere in den Pausen, damit bewegen können.

Warum hat das Kultusministerium nicht von Anfang an Plexiglasscheiben, Luftfiltersysteme und CO2 -Messgeräte favorisiert, die auch einen langfristigen Nutzen versprochen hätten? Zwar kann man einige Unterrichtssequenzen ins Freie verlagern, aber auch dort muss ein Mindestabstand von 1,50 m eingehalten werden, um maskenfrei zu sein. Für Grundschüler, die bisher immer eine kommunikationsbasierte Methodenvielfalt gewohnt waren, ist dies eine befremdliche Situation. Oberste Priorität müsste der Präsenzunterricht in möglichst „normaler Form“ haben.

Tests

Wenn nun auch noch Tests durchgeführt werden und diese negativ sind, so müssen auch mal „Beschränkungen“ zurückgefahren werden können. Erhalten Lehrkräfte und Schüler morgens ein negatives Testergebnis, so muss zwangsläufig die Maskenpflicht im Unterrichtsraum und auf dem Pausenhof entfallen. Aktuell haben wir die schärfsten Maßnahmen und die Tatsache, dass die Maskenpflicht bestehen bleiben soll, auch wenn negativ getestet wird, macht die Situation nicht einfach und gegenüber den Kindern auch nicht erklärbar. Hier müssen die Maßnahmen besser und logisch nachvollziehbar aufeinander abgestimmt werden.

Was uns Erwachsene angeht, so liegt die Herausforderung darin, allen aktuellen Bestimmungen gerecht werden zu müssen und gleichzeitig den Kindern eine unbeschwerte Zeit zu ermöglichen. Dabei ist das Bild eines „Tanzbärs auf heißer Herdplatte“ durchaus passend. Selbst in Ketten gelegt trägt man zur Belustigung anderer bei und schluckt all das herunter, was selbst als Belastung empfunden wird, um abends als Belohnung für sein Tänzchen noch sein Futter zu erhalten. Jeder Büroangestellte, der seine Arbeit in seinen dafür vorgesehenen Wänden ausführt, hat aktuell mehr Luft zum Atmen, mehr Wohlfühlmomente als Kinder, die sich im Präsenzunterricht befinden. Es müssten deshalb aktuell in Bildungseinrichtungen vor Ort (an der Basis) die bestehenden Maßnahmen an Grundschulen neu bewertet werden, damit Maßnahmen relativiert und neu angepasst werden könnten.