Mit dem Rücken zur Wand: Das deutsche Bildungssystem

Der am 17. Juni 2024 veröffentlichte, alle zwei Jahre erscheinende Nationale Bildungsbericht beschreibt die Gesamtentwicklung des deutschen Bildungswesens auf Basis amtlicher Statistiken sowie sozialwissenschaftlicher Daten und Studien. Die erwartbar negativen Ergebnisse korrespondieren mit den (ebenfalls negativen) Ergebnissen des letzten PISA-Berichts und des IQ-Bildungstrends.

Die wesentlichen (wenn auch nicht neuen) Erkenntnisse zeigen: Das deutsche Bildungssystem ist geprägt von …

  •  fehlendem Fachpersonal
  • je nach Bundesland zwischen 21und bis zu 53% Seiteneinsteigern
  • unzureichende Finanzierung
  • Überforderung durch hohe Einwanderung Bildungsferner
  • soziale Ungleichheit als Dauerproblem, Kinder aus sozial schwächeren Familien bleiben benachteiligt
  • stagnierende, zum teil sogar sinkende Schulleistungen
  • immer schlechtere Leseleistungen (19 Prozent der Viertklässler können nicht adäquat lesen)
  • durch Nichterreichen der Mindeststandards verzögerte/verhinderten Lernbiographien
  • mehr Schulabgänger ohne Abschluss (Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss 6,9 Prozent, in Zahlen: mehr als 52.000 junge Menschen)
  •  Zugangsmöglichkeiten zu Weiterbildungsmaßnahmen insbesondere für Geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht erwartungsgemäß
  • Stagnierende Akademisierung und weiterhin eklatante soziale Herkunftsunterschiede bei der Teilhabe an Hochschulbildung

Das Problem: All diese Defizite sind seit Jahrzehnten bekannt. Sie verstärken sich allenfalls durch weiterhin mangelnde Finanzierung der Bildungseinrichtungen, mehr Zuwanderung jetzt auch aus Kriegsgebieten in Europa, immer frühere und längere, dysfunktionale Bildschirmmediennutzung (Stichwort Smartphone und sozial nur genannte „social media“-Apps) mit entsprechenden körperlichen und psychischen Folgen für Kinder und Jugendliche. Auch die Forderungen zur Abhilfe sind hinlänglich und zum Teil seit Jahrzehnten bekannt, etwa Lehrermangel (seit 1990!) und fehlendes, qualifiziertes Betreungspersonal. Aber außer immer neuen, immer kleinteiligeren Statistiken ist keine Änderung und/oder Besserung in Sicht. Der Fokus liegt (seit der erszen PISA-Studie) auf der wissenschaftlichen Analyse und empirischen Bildungsforschung statt auf konkreten Konzepten zur Verbesserung der Situation vor Ort, in den KiTas, Schulen und Weiterbildungsstätten.

Was fehlt sind pädagogische Konzepte und mehr Personal vor Ort statt immer mehr Statistik und Empirie und der Auf- und Ausbau einer Bildungsbürokratie mit immer neuen Testmethoden und Vermessungseinrichtungen.
Was fehlt ist  eine Rückbesinnung auf das Erziehen und Unterrichten als zentrale Aufgabe der Bildungseinrichtungen mit und durch qualifiziertes Personal vor Ort.
Was fehlt ist die Übernahme der Verantwortung durch Eltern, Lehrende und Schulträger für die nachfolgenden Generationen und das Einfordern von konkreten und praktischen Lösungen statt einem politischen Taktieren.

„Wenn die Bildungspolitik jetzt nicht radikal umgesteuert wird, müssen die nächsten Generationen die Zeche zahlen. Wenn die jungen Menschen nicht gut ausgebildet werden, erleben sie keine Partizipation an der Gesellschaft und es verschlechtern sich individuell die Zukunftsaussichten.“
(GEW-Vorsitzende Maike Finnern, Eindringlicher Weckruf an die Politik!“)

Zum Hintergrund: Der Bildungsbericht wird alle zwei Jahre unter Federführung des DIPF (Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) in Kooperatin mit den folgenden Einrichtungen erstellt:  Deiutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW), Soziologisches Forschungsinstitut an der Universität Göttingen (SOFI), Deutsches Jugendinstitut (DJI), Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (LIfBi) sowie die Statistischen Ämter von Bund und Ländern. Auftraggeber sind die Kultusministerkonferenz (KMK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Links und Quellen

Nationaler Bildungsbericht (Startseite)

PDF: Bildung in Deutschland 2024. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu beruflicher Bildung

PDF Kompaktfassung: Kompaktfassung zum Bildungsbericht 2024

FAZ: „Das System arbeitet vielerorts am Anschlag“, FAZ vom 18. Juni 2024, S. 4 online 17.06.2024)

GEW: Bildung in Deutschland 2024. Zehntausende ohne Abschluss