Neuer Wein in alten Schläuchen

Projektbericht der Handlungsempfehlungen des Forum Bildung Digitalisierung (FBD) unter dem Schlagwort „Generation BD“ (GenBD) für die digitale Transformation von Schule.

Ein Kommentar von Uwe Büsching und Ralf Lankau

Das „Forum Bildung Digitalisierung“  ist ein Zusammenschluss von derzeit zehn (formal gemeinnützigen) Stiftungen (1), die sich „für die gelingende digitale Transformation des Schulsystems“ einsetzen. (2) Am 19. März 2025 hat das Forum Bildung Digitalisierung (FBD) eine Werbebroschüre als „Impulspapier“ publiziert, in dem  15 vom Forum betreute Schüler:innen als „Generation Bildung Digitalisierung“ (GenBD) tituliert werden, die, betreut durch Mitarbeiter das Forum, „Handlungsempfehlungen für die Transformation von Schule“ formuliert hätten.

Angekündigt wird das Projekt „Generation BD“ des Forum Bildung Digitalisierung gemeinsam mit der Deutsche Telekom Stiftung. Gefördert werde die Beteiligung von Schüler:innen am bildungspolitischen Diskurs. Eine Impulspapier genannte Broschüre dokumentiert den Verlauf des Beteiligungsprojekts, die Arbeitsergebnisse der teilnehmenden Schüler:innen sowie Erkenntnisse zum Thema Schüler:innenbeteiligung.“(3)

Meinung von Schüler*innen steht drauf, Stiftungsinteressen sind drin

Das Ergebnis ist selbstreferentiell, da die „Handlungsempfehlungen der GenBD“ nur wiederholen, was das Forum BD auch ohne Beteiligung von Schülerinnen und Schülern propagiert. Aber das kennt man als Agenda-Setting der beteiligten Stiftungen mit wechselnden „Gästen“, die durch entsprechendes Briefing zu erwartbaren „Ergebnissen“ kommen. Oder wie nennt man es, wenn das „Forum Bildung Digitalisierung“ zusammen mit der Deutsche Telekom Stiftung ein Projekt „Generation BD“ initiiert, bei dem 15 Schülerinnen und Schüler aus acht Bundesländern „Positionen und Forderungen zur Gestaltung der schulischen Transformation“ entwickeln, ohne Transparenz der Auswahlkriterien für die Teilnahme, ohne Validierung notwendiger Vorkenntnisse im fachlich-didaktischen und/oder informationstechnischen Spektrum? Die Digitalisierung von Schule und Unterricht wird ebenso ohne Begründung vorausgesetzt wie die vermeintlich notwendige „digitale Transformation“, ohne zu klären, was das konkret bedeutet. (Wer es nicht weiß: Das Ziel ist die automatisierte Beschulung und Testung durch IT- und KI-Systeme).

Ein Bericht mit derart eklatanten Schwächen ist wahrlich keine gelungene Begründung für die Digitalisierung der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, zumal auch inhaltlich Trivialitäten publiziert werden. So sei etwa deutlich geworden, dass Kommunikation „face to face“ einen höheren Stellenwert habe als eMails, oder dass „schnelle Kommunikation per Messanger-Diensten zwischendurch und Deadline-Erinnerungen“ sinnvolle Ergänzungen seien im Kommunikationsmix mit Schülerinnen und Schülern. Eine weitere, neudeutsch als „Learníng“ bezeichnete Erkenntnis für die Projektbetreiber war, dass Minderjährige regulären Unterricht hätten (für den die Schulpflicht und Teilnahme gälte) – und dass Ferienzeiten in den die Bundesländern unterschiedlich seien. Chapeau zu den „Learnings“.

Im Vorwort wird aufgerufen: „Partizipation als festen Bestandteil in der Bildungspolitik ebenso wie in der Schulentwicklung vor Ort zu etablieren. Das Projekt verdeutliche: „die Fähigkeit und den Willen der jungen Generation, aktiv an der gelingenden Gestaltung ihres Schulsystems mitzuwirken“. Als Ziel des Projekts wird die Identifikation zukunftsrelevanter Themenfelder durch und für Jugendliche benannt , wenn sie die Möglichkeit erhalten, sich mit Gleichgesinnten über Bildung, Digitalisierung und Transformation auszutauschen.

Verantwortet wird das Projekt von Ralph Müller-Eiselt, Vorstand des Forum Bildung Digitalisierung und Jacob Chammon, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung. Müller-Eiselt war von 2010 bis 2023 Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung und maßgeblich an der Gründung des Forums als Verein im Jahr 2017 beteiligt. Zusammen mit Jörg Dräger hat er 2015 das Buchs „Die digitale Bildungsrevolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten“publiziert. Schon der damalige Appell der beiden Autoren war einseitig digitaleuphorisch:

„Um die großen Chancen zu nutzen, den Risiken zu begegnen und international nicht den Anschluss zu verlieren, muss Deutschland die digitale Bildungsrevolution jetzt aktiv gestalten. Ein Weckruf, der unsere Gesellschaft zum Handeln auffordert.“ (Dräger, Müller-Eiselet, 2025)

Nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre, zwei Jahren Pandemie mit (in Deutschland extrem langen) Schulschließungen und zahlreiche Studien über die negativen Folgen von IT i n Schulen könnte man eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit Digitaltechniken in Schulen erwarten, siehe z.B. den UNESCO-Bericht oder die Studie des Karolinska-Instituts, aber das wäre nicht im Interesse der im Forum zusammengeschlossenen Stiftungen und der sie finanzierenden Unternehmen.

Daher sind, wenig überraschend, auch die Antworten der Jugendlichen stiftungskonform: Zuallererst müsse man für eine sichere und stabile Internetverbindung sorgen. Dass das an manchen Schulen immer noch nicht klappt, sei vorgestrig. Digitalisierung alleine sei zwar keine Lösung. Es reiche nicht aus, alte grüne Tafeln durch digitale Whiteboards zu ersetzen. Aber durch gezielte Digitalisierung „an den richtigen Stellen“ erreiche man mehr. Zum Beispiel mache das Schreiben auf Tablets alleine noch lange keinen innovativen Unterricht aus. Werden im Unterricht hingegen sinnvolle Lern-Apps eingesetzt, könne man einiges erreichen.

Bei ernsthafter Absicht, die Digitalisierung in Schulen sachgerecht zu fördern, wäre die Auseinandersetzung mit den Wirkstärken digitaler Anwendungen, wie sie die Bildungsforscher John Hattie und Klaus Zierer erforschen und publizieren, zwingend gewesen. Statt dessen haben die die Projektleiter im Prozess festgestellt, dass Teilhabe Strukturen benötige und die Teilnehmenden (Schülerinnen und Schüler zwischen 15 und 19 Jahren) auch angeleitet werden müssten. Na dann. Aber nett war es miteinander:

„Das Empowerment, das man durch solche Partizipationsprojekte erreichen kann, ist enorm. Zum Auftakt des Projekts haben wir die Schüler:innen zur KonfBD24 eingeladen. Am Vorabend saßen wir alle zusammen und haben ihnen gesagt: Bringt euch aktiv bei den Diskussionen ein, führt Gespräche mit den Teilnehmenden! Diese Bestärkung haben die Jugendlichen sehr ernst genommen.“ (GenBD, Handlungsempfehlungen, S. 21)

Es ist keine ernstzunehmende Evaluation, wenn am Ende die verbliebenen Teilnehmer*innen das Projekt loben. Es ist im besten Fall eine (unvollständige) Erlebnisevaluation, weil dazu auch gehören würde, warum 5 Teilnehmer*innen das Projekt vorzeitig abbrachen. Vor allem aber: Krankheiten, bauliche Fehlplanungen, Lehrerunzufriedenheit und die Forderung nach Partizipation sind viel älter als das Imageprojekt „GenBD“ und werden seit Jahrzehnten diskutiert.. Am Ende des letzten Jahrhunderts wurde z.B. ein europäisches Schulprojekt aufgelegt: OPUS (1998). Europaweit wurden Änderungen gefordert, die Umsetzung – blieb aus.

Déjà-vu und OPUS

Die vier Buchstaben stehen für: Offenes Partizipationsnetz und Schulgesundheitsförderung. GenBD ließe sich demnach umformulieren in: OPUD; Offenes Partizipationsnetz und Digitalisierung (der Schule, der Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen). Diese Parolen (oder sollte es Wunschliste der Stiftungen heißen?) sind alter Wein in neuen Schläuchen. Nur wurde Schulgesundheit gegen Digitalisierung getauscht. Sinnvoll ist das nicht, denn Gesundheit und Digitalisierung sind aus pädagogischer, pädiatrischer und psychologischer Perspektive eher Gegenspieler, wie die weltweiten Diskussionen und Maßnahmen (Smartphoneverbote in Schulen, Verbote von sozial nur genanten Diensten für Minderjährige) belegen.

Ist das nur Unkenntnis des Diskussionsstandes? Nicht alle Akteure von GenBD waren in den 90igern des letzten Jahrhunderts bereits berufstätig, ebenso wenig manche Bildungsminister und ihr Arbeitsstab. Nicht alle an GenBD beteiligten Stiftungen haben an dem damaligen Boomthema: Gesundheitsförderung in Schulen mitgewirkt. Aber die Mitarbeiter der damals beteiligten Stiftungen sollten das Archiv ihrer Stiftung kennen.


Zu empfehlen sind z.B. :


Die OPUS-Projekte wurden abgeschlossen, die Gründe wurden offiziell nicht genannt. Nicht Verantwortliche, aber Beteiligter kennen einige der Gründe:

  • Damals wie heute fehlte es an Geld. Die Forderung einer Finanzierung von Schüler- und Lehrerwohlbefinden, von organischer und psychischer Gesundheit wird wohlwollend zur Kenntnis genommen. Aber für Gesundheit sind die selbst so genannten Gesundheitskassen zuständig, siehe dazu die Qual, ein Präventionsgesetz zu formulieren.
  • Offenes Partizipationsnetz: Schule öffnet sich, scheiterte an dem hehren Grundsatz, Schule dürfe nicht von Externen beeinflusst werden: Plakate am „schwarzen Brett “ waren unerwünscht. Mit der Erkenntnis, dass keine politische oder wirtschaftliche Macht und eben auch keine Stiftung die Öffnung von Schule bewirken konnte, war die Absicht des Konzeptes konterkariert.
  • Aber mittlerweile wurde ein Weg gefunden: die Digitalisierung Mit der allgegenwärtigen Akzeptanz der privaten digitalen Endgeräte in Schulen öffnet sich Schule für alle Lobbyisten und Werbetreibenden und diese Öffnung geriet außer Kontrolle. Aber Fremdmaterial ist kostenneutral und kommt bequemen Pädagogen (und Schulträgern) sehr entgegen.

Lebenswertere Raumgestaltung, auch die der Pausenhöfe und Flure, war bereits vor 30 Jahren ein wichtiges Projektthema. Wenn schon nicht Umbau, dann vielleicht doch die Umsetzung sinnvoller Forderungen bei den vielen Neubauten der vergangenen 30 Jahre? Selbst das gelang nicht.

Seit der (zum Glück noch nicht) flächendeckenden „Digitalisierung des Lernens“ haben organische wie psychiatrische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen. Die Corona Pandemie mag eine verstärkende Ursache sein, die flächendeckende Digitalisierung bzw. die stetig zunehmenden Bildschirmzeiten sind es ebenfalls. Jetzt nur mehr Psychotherapeuten zu fordern ist abwegig. Nicht Therapie, sondern Gesundheitsförderung und Prävention ist der Königsweg.

Für die Digitalisierung gilt: Wir sollten die Erfahrungen unsrer Nachbarländer berücksichtigen (siehe z.B. die Übersicht von A. Ross), die allesamt bei der (Früh)Digitalisierung der Schulen zurückrudern und Digitaltechnik nur nach validierten Methoden, nur in höheren Klassen und dafür geeigneten Fächern einsetzen. Denn „one size fits it all“ ist ebenso grundfalsch wie die Hoffnung, mit einer Technik alle Aufgaben und Probleme lösen zu können.

Die derzeitigen Konzepte für die Digitalisierung von Schulen bedienen die Interessen der Industrie und Wirtschaftsverbände, die die Stiftungen finanzieren. Der Steuerzahler darf dann allenfalls die Psychotherapeuten für die lern- und verhaltensgestörten Kinder und Jugendlichen zahlen.

Uwe Büsching und Ralf Lankau


  1. „Das Forum Bildung Digitalisierung ist ein gemeinnütziger Verein, in dem sich derzeit zehn große deutsche Stiftungen engagieren: Deutsche Telekom Stiftung, Bertelsmann Stiftung, Dieter Schwarz Stiftung, Dieter von Holtzbrinck Stiftung, Heraeus Bildungsstiftung, Joachim Herz Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Siemens Stiftung, Vodafone Stiftung Deutschland und Wübben Stiftung Bildung.“ https://www.forumbd.de/verein/ (10.4.2025)
  2. https://www.forumbd.de/verein/
  3. https://www.forumbd.de/blog/impulspapier-der-generation-bd-21-handlungsempfehlungen-fuer-die-transformation-von-schule/