Personalnot in Kitas – dafür Tablets im Angebot

Zwei Studien zur Personalsituation in Kitas zeigen bundesweit große Lücken bei der Personalausstattung der Kindertagesstätten, obwohl Frühförderung entscheidend ist für den weiteren Entwicklungsverlauf von Kindern. Eine repräsentativen Befragung im Auftrag der Gewerkschaft VBE zeigt, dass die Pandemie den Personalmangel in den Einrichtungen sogar noch verschärft hat. 40 Prozent der knapp 4.500 teilnehmenden Kita-Leitungen gaben an, dass an mindestens einem Tag der Woche die Aufsichtspflicht nicht mehr gemäß gesetzlicher Vorgaben erfüllt werden konnten. Die Erwartungen, die mit dem sogenannten „Gute-Kita-Gesetz“ geschürt wurden, konnten vielfach nicht erfüllt werden. „Dass Gelder aus dem Gesetz von vielen Ländern nicht in dringend notwendige Verbesserungen der Kita-Qualität und stattdessen in eine Senkung oder Abschaffung der Elternbeiträge investiert wurden, unterstreicht den Etikettenschwindel des Gesetzes und ist eine klare politische Fehlentscheidung“, so Udo Beckmann bei Veröffentlichung der DKLK-Studie 2021 im Rahmen des Deutschen Kita-Leitungskongresses in Düsseldorf.

Auch die Studie der Bertelsmann-Stiftung weist eine erhebliche Fachkräfte-Lücke aus, die sich in den nächsten Jahren sogar verschärfen werde. Bis 2030 fehlen dem nach mehr als 230.000 Erzieherinnen und Erzieher für eine kindgerechte Betreuung bei gleichzeitigem Kitaplatz-Ausbau. Das führe langfristig zu erheblichen Defiziten in der frühkindlichen Entwicklung und gefährde die Entwicklung der Kinder in sprachlicher, motorischer sowie emotionaler Hinsicht.

Frühkindliche Förderung

Die Bedeutung frühkindlicher Förderung (nicht Bildung) ist bekannt, sie entscheidet über Bildungs- und Lebenswege. Wie für Kinder der Grundschule (und zumindest noch der Sekundarstufe I) sind für Kita-Kinder die Bezugspersonen das Entscheidende. Qualifizierte und engagierte Erzieherinnen und Erzieher bereiten Kinder auf die Zukunft vor. Notwendig sei daher, so zwei der Forderungen des VBE, „die Ausweitung der Ausbildungskapazitäten an Fach- und Hochschulen, das Angebot adäquater Entwicklungsperspektiven für ausgebildete Fachkräfte und die leichtere Anerkennung europäischer Abschlüsse“ sowie „Nachhaltige Investitionen in eine wahrnehmbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf mehreren Ebenen, vor allem bei Personalausstattung, Bezahlung, Einführung einer grundsätzlich vergüteten Ausbildung, Fort- und Weiterbildungen sowie räumlicher und sächlicher Ausstattung, um die Attraktivität des Berufsbildes dauerhaft zu stärken.“

Irritierend ist, wenn gleichzeitig gefordert wird, dass die „Digitalität von, für und mit Kitas in allen Dimensionen weiterentwickelt werden“ müsse. Damit wird bereits in der Kita der Paradigmenwechsel von der Humanität (dem Menschen als Maß und Grundlage für Entscheidungen) als Leitbild zur Digitalität (Berechen- und Steuerbarkeit menschlichen Verhaltens durch Automatisierung und Algorithmen) manifestiert. Dieser als „digitale Transformation“ verharmloste Gegensatz von „Verstehen lehren“ als pädagogische Aufgabe vs. „(Ver-)Messen, Regeln, Steuern“ ist somit in der Kita angekommen.

Kontraproduktiv wird es, wenn man liest, das in Stuttgart Kitas jetzt mit Tablets ausgestattet werden und das „digitale Lernen in Kitas und Schülerhäusern Teil der Digitalisierungsoffensive der Landeshauptstadt“ sei. Qualifiziertes Personal fehlt, aber digitale Endgeräte werden bereitgestellt? Das also ist „Digital first. Bedenken (und Pädagogik) second“ in der Praxis.

Links und Material

Pressematerial des Deutschen Kitaleitungskongress (DLKL): Digitale Pressemappe

Die Studie (PDF): DKLK-Studie 2021

Pressemeldung des VBE zur Studie: DKLK-Studie 2021: Dramatische Personalunterdeckung trotz Gute-Kita-Gesetz

Studie der Bertelsmann Stiftung: ElternZOOM 2021

Stuttgart: Digitales Lernen in städtischen Kitas und Schülerhäusern