Studie: Kurzvideonutzung verringert den Lernerfolg

In zwei Studien der TU Braunschweig wurde der Lerneffekt kurzer Erklärvideos getestet. Die Ergebnisse sind so erwartbar wie ernüchternd. Visuelle Informationssnacks förderten eine oberflächliche Lernstrategie, tiefergehendes Nachdenken und nachhaltig verankertes Wissen erzeuge der Videokonsum  hingegen nicht.

Thorsten Otto, Pychologe am Institut für Pädagogische Psychologie der TU Braunschweig, untersuchte, ob und wie sich digitale Medien im Unterricht und beim Lernen sinnvoll einsetzen lassen. 120 Studierende wurden in vier Gruppen eingeteilt und bekamen wortgleiche Wissensinhalte in verschiedenen medialen Formen. Zwei Gruppen bekamen Texte, die beiden anderen Testgruppen schauten sich stattdessen Kurzvideos im Stil von TikTok und Instagram an. Beim anschließenden Wissensquiz und besonders bei komplexeren Anwendungsaufgaben schnitten die Videogruppen deutlich schlechter ab.

Das wundert Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, nicht. Es gäbe wissenschaftlich begründete Zweifel am pädagogischen Nutzen von Multimedia im Unterricht, sofern diese von Lehrkräften nicht gezielt und begrenzt eingesetzt würden. Die Studie aus Braunschweig bestätige bisherige Forschungsarbeiten, dass das Schauen von Videos Lernleistung nicht steigere, sondern, im Vergleich zum Lesen klassischer Textes sogar reduziere (zit. n. Haas, BR, Tagesschau vom 29.06.2025; Link s.u.).


Studie (engl.): Sollten sich Pädagogen Sorgen machen? Die Auswirkungen von Kurzvideos auf rationales Denken und Lernen.

Eine vergleichende Analyse von Thorsten Otto

Zentrale Aspekte:

  •  Kurze Videonutzung steht in negativem Zusammenhang mit rationalem Denken.
  • Die Nutzung von Kurzvideos steht in positivem Zusammenhang mit einem oberflächlichen Lernansatz.
  • Das Anschauen von Kurzvideos sagt eine Präferenz für einen oberflächlichen Lernansatz voraus.
  • Die Leistung beim Wissenserwerb war in der Kurzvideomodalität geringer.

Zusammenfassung

Kurzvideos sind sehr attraktiv und werden aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften bei jungen Erwachsenen immer beliebter. Sie bergen jedoch auch das Risiko, sich an die Oberflächenverarbeitung zu gewöhnen und langsames analytisches Denken zu unterdrücken. Bisher ist wenig über die potenziellen Auswirkungen der Nutzung von Kurzvideos (SVU) auf Lernvariablen bekannt. Ziel dieser Studienreihe war es daher, die Auswirkungen von SVU auf rationales Denken, akademischen Gratifikationsaufschub (ADOG) und oberflächliches Lernen zu untersuchen (Studie 1) und die situativen Auswirkungen des Betrachtens einer Kurzvideosammlung auf diese Variablen mit Ausnahme von ADOG zu untersuchen (Studie 2). Des Weiteren wurde untersucht, ob sich kurzes videobasiertes Lernmaterial für die Vermittlung von niedrigkomplexem Stoff eignet (Studie 2).

In Studie 1 füllten die Teilnehmer (n = 169) Fragebögen zu SVU, rationalem Denken, ADOG und oberflächlicher Lernmethode aus. In Studie 2 nahmen die Teilnehmer (n = 123) an einem Online-Experiment mit einem 2 (Kurzvideosammlung; anwesend vs. nicht anwesend) x 2 (Lernmaterial; videobasiert vs. textbasiert) intersubjektiven Design teil, füllten Fragebögen zu SVU, rationalem Denken und oberflächlicher Lernmethode aus und beantworteten ein Quiz zum Wissenserwerb. Die Ergebnisse zeigen, dass SVU negativ mit rationalem Denken und positiv mit einem oberflächlichen Lernansatz assoziiert ist. Das Anschauen einer kurzen Videosammlung führte zu einem höheren situativen Oberflächenlernansatz, und Teilnehmer, die mit kurzen Videos lernten, schnitten beim Quiz schlechter ab als diejenigen, die mit Text lernten. Es werden Einschränkungen, Implikationen und zukünftige Richtungen diskutiert.


Study: Should educators be concerned? The impact of short videos on rational thinking and learning

A comparative analysis. Thorsten Otto
Highlights
  • Short video use is negatively associated with rational thinking.
  • Short video use is positively associated with a surface learning approach.
  • Watching short videos predicts a preference for a surface learning approach.
  • Performance in knowledge acquisition was lower in the short video modality.

Abstract

Short videos are highly attractive and are becoming increasingly popular among young adults due to their unique properties. However, they also pose a risk of getting used to surface processing and suppressing slow analytic thinking. So far, little is known about the potential impact of short video use (SVU) on learning variables. Therefore, this series of studies aimed to examine the consequences of SVU on rational thinking, academic delay of gratification (ADOG), and a surface learning approach (Study 1) and examine the situational impact of watching a short video collection on those variables except ADOG (Study 2). Further, it was examined whether short video-based learning material is suitable for teaching low-complex material (Study 2).

In Study 1, participants (n = 169) completed questionnaires regarding SVU, rational thinking, ADOG, and surface learning approach. For Study 2, participants (n = 123) took part in an online experiment with a 2 (short video collection; present vs. not present) x 2 (learning material; short video-based vs. text-based) between-subject design, completed questionnaires regarding SVU, rational thinking, surface learning approach and answered a quiz regarding knowledge acquisition. The findings reveal that SVU is negatively associated with rational thinking and positively associated with a surface learning approach. Watching a short video collection led to a higher situational surface learning approach, and participants who learned with short videos scored lower on the quiz than those who learned with text. Limitations, implications, and future directions are discussed.


Siehe auch:

TikTok, Instagram & Co. Kurzvideos erschweren das Lernen

Tagesschau – Stand: 29.06.2025
Kurze Lernvideos auf Social Media erzielen täglich Millionen Klicks. In zwei Studien der TU Braunschweig ist jetzt der Lerneffekt dieser Erklärvideos getestet worden – das Ergebnis ist ernüchternd. Von Monika Haas, BR