Das ganze Spektrum an Unterricht in Corona-Zeiten

Als Mutter von vier Kindern habe ich derzeit das ganze Spektrum an Unterricht in Corona-Zeiten:

Die älteste Tochter, Jahrgang 2001, studiert im ersten Semester ausschließlich mit Online-Veranstaltungen, Smartphone, Laptop, Tablet gehören zur Studiengrundausstattung. Angekündigt ist der Fernunterricht für das ganze Sommersemester 2021. Kopfschmerzen, Stress und Druck gehören auch zu ihren ersten Studienerfahrungen. Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, die „Erstis“, kennt sie nur über Bildschirm. Sie gehört mit ihrem Jahrgang wohl zu den ersten „Smartphone“ Generationen, nach dem Durchbruch dieser Geräte vor gut zehn Jahren.

Ihre Grundschulzeit verlief noch klassisch im Präsenzunterricht ohne Verwendung digitaler Medien. In der weiterführenden Schule wurde in den ersten Klassen Grundlagen des Verständnisses von Digitaltechnik gelegt, Medienaufklärung war Teil des Unterrichts. Erste Themenpräsentationen sollten analog erarbeitet werden, erst in der Mittelstufe wurde mit Computerprogrammen und Internet gearbeitet. In der Oberstufe konnte sie die digitalen Geräte kreativ einsetzen, etwa für die Erstellung eines Videos mit Tablets auf einer Klassenfahrt, gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern aus Frankreich. Musik, Kunst und Sport waren wichtige Aktivitäten neben der Schule. Als Mutter kann ich beobachten, wie sich der Einsatz digitaler Endgeräte in den letzten Jahren beschleunigt hat und die Schülerinnen und Schüler immer früher angehalten wurden mit Computer und Internet zu arbeiten. Für praktisch alle Schülerinnen und Schüler gehören smarte Endgeräte mittlerweile im Alltag dazu. Für die viele Lehrerinnen und Lehrer auch. Damit nimmt auch das Thema Medienbildung und Aufklärung immer mehr Raum im Unterricht ein.

Die zweite Tochter, Jahrgang 2003, ist nun im Abiturjahrgang, wie auch im ersten Lockdown komplett Online. Sie beherrscht den Umgang mit den digitalen Medien, allerdings ist der Anspruch an die Schülerinnen und Schüler im Abiturjahrgang hoch und der Druck enorm, da jede Arbeit, jeder Punkt für die Schulabschlussnote zählt. Die Gefahr, dass die Lernzeit im Home-Schooling mit Unterrichtsinhalten und schriftlichen Arbeiten überladen wird ist groß. Und die Schülerinnen haben ja zu Hause auch „viel mehr Zeit“ sich die Themen zu erarbeiten, Internet setzt hier kaum Grenzen. Da kann man nur hoffen, dass eine 17jährige Jugendliche es schafft, ihre Grenzen selbst zu finden.

Die dritte Tochter, Jahrgang 2005, ist nun in der 10. Klasse, ein relevanter Jahrgang im Übergang zu den Abiturjahrgängen. Auch sie lernt selbstständig von zu Hause. Die Einteilung von Lernzeiten und Freizeit im ständigen Umgang mit den digitalen Endgeräten und ihren Social Media Anwendungen gelingt einer 15jährigen mäßig. Der Kontakt mit den Gleichaltrigen fehlt, auch das gemeinsame Lernen im Klassenverband, die komischen und manchmal auch frustrierenden Erlebnisse im Präsenzunterricht fallen weg.

Der Jüngste, Jahrgang 2012, geht in die dritte Klasse der Grundschule. Während des ersten Lockdowns war er noch in der zweiten Klasse. Zum Glück bin ich freiberuflich tätig, so dass ich ihn im Homeschooling unterstützen konnte. Außerdem hatten wir das Glück, dass die Schulen vor Ort von dem hier ansässigen Lehrmittel-Verlag mit Lernpaketen versorgt wurden, die direkt an das analoge Schulmaterial anknüpften. Im Vergleich zu anderen Schulen hatten wir eine recht gesunde Mischung von digitaler Kommunikation von Schule mit den Eltern und analogen Lernpaketen, mit denen die Kinder arbeiten konnten. Unser Sohn musste bisher zu keinem Zeitpunkt Online Material abrufen oder womöglich Aufgaben bearbeiten. Das kann sich im nächsten Jahr ändern. Auch die Grundschulen sehen sich vor der Aufgabe Fernunterricht in Corona-Zeiten zu gewährleisten, Fernunterricht ist Thema auch in den Grundschulelternabenden. Die Verführungskraft der Bildschirmmedien bei Kindern und Jugendlichen bekomme ich jeden Tag real mit und kann nur versuchen, dem möglichst viele analoge Angebote und Aktivitäten entgegenzusetzen.