Das sagen Lehrer zum Unterricht unter Corona-Bedingungen

Eltern und ich wurden zu „Profis der Flexibilität“

Von Nina L., Lehrerin: Mittlerweile sind die Eltern in meiner Klasse und ich zu Profis der Flexibilität geworden. Distanz – Wechsel – evtl. Distanz oder doch nicht? Wir kommen gut klar, ich erreiche die Kinder und die Eltern arbeiten wirklich toll mit. Ohne sie würde es nicht gehen und ich weiß nicht, wie es in einem Viertel wäre, in dem die Kinder mehr oder weniger auf sich selbst gestellt sind. Da würden bestimmt einige durch das Netz rutschen.

Ich wünsche mir, dass wir möglichst schnell wieder zum normalen Schulbetrieb zurückkehren. Ohne Maske, ohne Tests. Wenn Lehrer Angst haben, können Sie selbst eine FFP2 Maske tragen. Wenn Eltern Angst haben, können Sie ihrem Kind ebenfalls eine Maske mitgeben.

„Unterricht ist mit den ständig wechselnden Anweisungen kaum möglich“

Von Jan P., Lehrer: Seit über einem Jahr müssen wir den Schülerinnen und Schülern sagen, dass sie auf Abstand gehen sollen und die Maske aufsetzen müssen. Seit über einem Jahr schließen Schulen, machen wieder auf, schließen wieder, machen im Wechselunterricht wieder auf, machen wieder zu, machen wieder auf aber ohne Präsenzpflicht, schließen wieder, machen wieder auf mit freiwilligen Schnelltestungen und dann verpflichtenden Testungen. Maske und Abstandsgebot gelten natürlich weiterhin. Unterricht ist mit den ständig wechselnden Anweisungen kaum möglich und wenn man es doch irgendwie schafft Unterricht zu machen, steht man an der Belastungsgrenze.

Die Kinder, die seit Monaten im Distanzlernen sind, bekommen keine adäquate Bildung. Insbesondere Kinder aus bildungsferneren Kreisen verlieren den Anschluss komplett. Familien sind überfordert.
Einige befinden sich in völliger Angst und verbieten ihren Kindern regelmäßige Kontakte zu Freunden. Und wenn die Kinder zu Hause gut aufgehoben sind, langweilen sie sich zu Tode oder verfallen in Hilflosigkeit und Depression.

Will man dieses Problem ansprechen und kritisch über die Maßnahmen sprechen wird einem von oberer Stelle gesagt, dass man seine private Meinung für sich zu behalten hat oder man wird ignoriert oder ausgegrenzt.

„Den größten Verlust sehe ich im persönlichen Umgang“

Von John S., Lehrer an einer Oberschule: Den größten Verlust für die Schule/Lehrer/Schüler in der Coronazeit sehe ich aber im persönlichen Umgang. Klassenübergreifende Begegnungen, Projekte, Klassenfahrten usw. Ich führe gerade meine 1. Klasse zum Abschluss und konnte letztes Jahr schon unseren Hauptschülern keine Abschlussfahrt ermöglichen und dieses Jahr meinen Realschülern auch nicht. Für mich fehlt da einfach etwas in meiner Vita in Bezug zu meiner Klasse. Was das für die Schüler bedeutet, werden Sie hoffentlich von diesen selbst erfahren. Pädagogische Arbeit ist immer Arbeit mit Menschen und eine Abschlussfahrt ist der krönende Abschluss eines jahrelangen Miteinanders.

Auch die Projektarbeit ist weitestgehend unmöglich. Alle Projekte an denen ich beteiligt bin, versuchen irgendwie weiter zu existieren und am Leben zu bleiben, damit die Expertise, ganze Netzwerke, die man sich über Jahre/Jahrzehnte aufgebaut hat, nicht verloren gehen. Ausflüge, die den Schulalltag mal aufbrechen und Schüler zu authentischen Orten bringen, nicht möglich. Als Geschichtslehrer eine Katastrophe.

„Digitalunterricht kann Präsenzunterricht nicht ersetzen – die Nähe fehlt“

Von John S.: Ich bin Lehrer an einer Oberschule in (…)  die (…) neu gebaut wurde. Demnach sind unsere Bedingungen für digitalen Unterricht, zumindest von der Schule aus gesehen, ideal. Jeder Raum besitzt eine digitale Tafel und für die Schüler gibt es I-Pads. Trotz dieser Bedingungen und einem Jahr Erfahrung sind sich alle Pädagogen dieser Einrichtung einig, dass digitaler Unterricht den Präsenzuntericht nicht ersetzen kann.

Der wichtigster Grund: die Nähe zum Schüler fehlt. Vor dem PC sitzen und mit 25 Schülern reden, die auch vor dem PC sitzen, ist nicht das Gleiche wie im Klassenraum. Man hat das Gefühl die Schüler sind zwar da, aber es gibt dennoch eine große Distanz. Das Interagieren, das Zwischenmenschliche ist extrem eingeschränkt möglich und genau das macht doch Unterricht aus. Kurze Wege, schnelles reagieren, Spass, Nähe zum Schüler, einfühlen…alles nur eingeschränkt möglich und so ein großer Verlust auch für die Wissensvermittlung

Weitere Gründe:

  • nicht jeder Schüler besitzt ein internetfähiges Endgerät, eine Kamera und ein Mikrofon, sodass ein Teil der Schüler nie bei digitalem Unterricht zugegen sein kann;
  • nicht jeder Schüler hält sich an die vereinbarten Zeiten, in denen der digitale Unterricht stattfindet, sodass noch mehr Schüler fehlen;
  • der „Unterrichtsstoff“ kann digital nur langsamer vermittelt werden (technische Probleme/Fragestellung nebst Antworten komplizierter und kosten Zeit–

Positiv zu nennen wäre vielleicht noch, dass Unterrichtsstörungen nachgelassen haben im digitalen Unterricht. Weil die Schüler entweder erkannt haben, dass sie noch soviel Wissensvermittlung wie möglich mitnehmen oder der Klassenrahmen fehlt, in denen natürlich auch Unterrichtsstörungen gedeihen können.