Covid-19, Homeoffice und Familie – ein paar typische Aspekte

Bericht, Fragen und Anregungen einer Mutter

Wir sind eine Familie mit vier Kindern und Eltern, die Anfang 2020 beide voll berufstätig waren, beide in „homeofficefähigen“, nicht „systemrelevanten“ Berufen. Mein Mann hat inzwischen seine Arbeitszeit beträchtlich reduziert und auch vom erweiterten Kinderkrankengeld Gebrauch gemacht. Wir haben auch eine Kinderfrau, die uns tatkräftig unterstützt. Dennoch wird die Situation für uns zunehmend schwieriger, weil die Kinder geistig, körperlich und emotional nicht ausgelastet sind und weil wir Eltern durch die fortbestehende Ungewissheit und mangelnde Planbarkeit (inzwischen durch die ständigen Tests quasi auf Zeitskalen von 24h) und die Unmöglichkeit eines geregelten Arbeitsalltags zermürbt sind. Im folgenden möchte ich von einigen Aspekten dieser Problematik berichten.

Langeweile – Unsere Kinder gehen unterschiedlich mit der Situation der Schulschließungen (bzw. dem Wechselmodell) und der Schließung von Freizeiteinrichtungen um. Die von sich aus „gut organisierten“ Kinder erledigen an den schulfreien Tagen ihre Aufgaben bereits am frühen Vormittag und haben dann den Rest des Tages „frei“. Insbesondere der 12-jährige langweilt sich dann sträflich, was auch die intensive Beschäftigung mit den Welten der Fußballtabellen und des „Herrn der Ringe“ nicht mehr verhindern kann. Unsere weniger gut organisierten Kinder schieben die Hausaufgaben oft bis weit in den Abend hinaus, was sie natürlich den Tag über belastet. Unseren 14-jährigen haben wir vollständig an die virtuelle Welt verloren. Manchmal sagt er über eine reale Person, dass sie ihn an diesen oder jenen Streamer oder Youtuber erinnere, nicht umgekehrt. Allen gemeinsam ist, dass sie einen beträchtlichen Teil der Zeit damit verbringen, ziellos durch die Wohnung zu tigern, vermutlich auf der Suche nach Gesellschaft oder einer interessanten Tätigkeit, oder sich auf dem Sofa herumzulümmeln, am liebsten mit den Füßen nach oben. Die interessanteste Tätigkeit, die sich in solchen Situationen typischerweise ergibt, besteht darin, ein vorbeikommendes Geschwister zu ärgern und auf diese Weise einen Streit vom Zaun zu brechen, da das Geschwister ebenso gelangweilt, genervt und frustriert ist. Inzwischen zankt sich jeder mit jedem, und auch Geschwisterkonstellationen, die im ersten Lockdown noch harmonisch waren, sind derzeit hochexplosiv. Es tut allen unseren Kindern sehr gut, dass sich die meisten ihrer Freunde inzwischen wieder verabreden dürfen, dass der Musikunterricht wieder real stattfindet, dass einzelne Sportangebote wieder gehen. Aber vor allem merkt man, dass die Stimmung an Schultagen deutlich besser ist als an den schulfreien Tagen.

Lernen – Wie groß die entstandenen Lernlücken sind, können wir letztlich nur schwer beurteilen. Gerade im Wechselmodell scheinen die freien Tage ziemlich frei und ungenutzt zu sein. Allerdings berichten zumindest die drei Großen und auch ihre Lehrer, dass sie bei halber Klassenstärke sehr viel effizienter und intensiver lernen als bei voller, was die ungenutzten Tage möglicherweise partiell ausgleicht, aber auch kein gutes Zeugnis für den normalen Unterricht in voller Klassenstärke ist. Objektiv beurteilen können wir, dass eines unserer Kinder in Französisch ein halbes Jahr hinter dem Lehrplan liegt, und dass im Sachunterricht in der vierten Klasse einige Themen nicht besprochen wurden, die vor drei bzw. fünf Jahren vorgekommen sind.

Angst – Als Mutter habe ich seit Beginn der Corona-Maßnahmen beständig in erster Linie davor Angst, dass eines unserer Kinder oder wir als Familie in Quarantäne geraten könnten. Zumindest zwei unserer Kinder sind so bewegungsfreudig, dass sie schon nach einem einzigen Tag drinnen (z.B. bei Dauerregen) sehr unausgeglichen werden. Auch wenn unsere Wohnung halbwegs groß ist, bietet sie selbst einer Sechsjährigen kaum mehr die Möglichkeit, sich angemessen auszutoben. Ein Kind für zwei Wochen in dieser Wohnung einzusperren würde für uns bedeuten, dass wir es konstant begleiten und beschäftigen müssten, oder dem digitalen Babysitter überlassen. Gerade in der jetzigen bereits zermürbten Situation habe ich den Eindruck, dass niemand von uns dazu so recht die Kraft hätte. Bei einigen unserer Kinder hätte ich die Befürchtung, dass Quarantäne zu einer Depression führen könnte.

Die Angst vor der Quarantäne wird in letzter Zeit nur noch übertroffen von der Angst davor, unsere Kinder unter Zwang impfen zu müssen. Impfen gegen eine Krankheit, die für sie selbst keine Gefahr darzustellen scheint, die sie auch nur in begrenztem Maße weiterzugeben scheinen, und mit einem Impfstoff, dessen Langzeitfolgen naturgemäß völlig unbekannt sind, die aber für Kinder besonders relevant sind, weil sie noch einen so langen Teil ihres Lebens vor sich haben. Schwere Nebenwirkungen scheinen schon bei jungen Erwachsenen stärker zu sein als bei älteren. Die Vorstellung, unsere Kinder diesem unbekannten Risiko höchstwahrscheinlich bald aussetzen zu müssen, damit sie wieder zu ihrem Recht auf Bildung und sozialer Interaktion kommen können, bringt mich in einen schweren ethischen Konflikt und an den Rand der Verzweiflung.

Unverständnis – Gerade im Zusammenhang mit Kindern kann ich viele Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen. Wenn ich die Vorsicht im März 2020 noch nachvollziehen konnte, habe ich mich im Laufe der darauf folgenden Wochen und Monate doch gefragt, warum die Schulen so lange geschlossen blieben, während die Infektionszahlen sehr rückläufig waren. Dann war ich positiv überrascht davon, dass nach den Sommerferien die Schulen beinahe in den Normalbetrieb zurückkehrten und auch trotz steigender Infektionszahlen bis fast Weihnachten darin verblieben, begleitet von regelmäßigen Elternbriefen unseres Kultusministers, in denen erklärt wurde, die Erfahrung habe gezeigt, dass in den Schulen kein nennenswertes Infektionsgeschehen stattfinde, und betont wurde, wie wichtig es für die Kinder und ihre Familien sei, dass die Schulen offenblieben.

Als dann im Januar die weiterführenden Schulen sich nicht wieder öffneten, war ich daher sehr überrascht, umso mehr, als es in den folgenden Ministerbriefen keine konkrete Erklärung dafür gab. Auch die Lehrer/-innen schienen von dieser Wendung eher überrascht zu sein. Als dann im März auch die weiterführenden Schulen wieder partiell öffneten, gab es zunächst freiwillige, dann verpflichtende Tests, obwohl sowohl das RKI als auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin deren Nutzen nicht sahen. Die letzte Zwischenbilanz des Kultusministers ergab wiederum, dass es in den Schulen kein nennenswertes Infektionsgeschehen gebe und dass die Tests helfen würden, Infektionen zu verhindern und deshalb beibehalten würden. Für mich ist das ein logischer Widerspruch, den ich nicht verstehe. Wo kein Infektionsgeschehen ist, kann man auch keines verhindern, weder durch Schließungen, noch durch Tests, noch durch Impfungen.

Viele unserer Nachbarländer, die Niederlande, die Schweiz, Frankreich und Spanien sind ohne nennenswerte Schulschließungen und mit laufendem Freiluft-Sportangebot für Kinder und Jugendliche durch den Winter 2020/21 gekommen. Ich verstehe nicht, warum das bei uns nicht geht, und erst recht nicht, warum schon jetzt Konsens unter Politikern herrscht, dass man im kommenden Schuljahr nur mit geimpften Kindern den Präsenzbetrieb aufrecht erhalten könne. Kein Politiker spricht darüber, dass jede Impfung auch ein Risiko bedeutet. Und es ist ja nicht nur ein individuelles Risiko, sondern, im Falle einer spät und häufig auftretenden gravierenden Nebenwirkung, auch ein gemeinschaftliches, wenn wir alle unsere Kinder gleichzeitig mit dem gleichem Impfstoff impfen, dessen Langzeitwirkungen nicht erprobt sind.

Auch die Strenge der Quarantänemaßnahmen verstehe ich nicht mehr. Ich kenne Kinder, die zwei Wochen in Quarantäne mussten, weil der Fußballtrainer positiv getestet wurde. Das Training hatte draußen stattgefunden, und zumindest eines dieser Kinder hatte an jedem Tag der Quarantäne einen negativen Schnelltest. Warum darf man mit einem solchen Kind nicht zumindest in den Wald fahren oder es in den Garten schicken? Ich habe mich prophylaktisch von einem Anwalt dazu beraten lassen und habe es von ihm schriftlich, dass solche Maßnahmen, insbesondere an Kindern, nicht rechtmäßig, weil unverhältnismäßig sind. In Dänemark und Schweden dauert Quarantäne nur 7 Tage, zumindest wenn der Test danach negativ ist. Die Begründung ist, dass die negativen psychischen Folgen einer längeren Quarantäne größer sind als der Nutzen, weil nach mehr als sieben Tagen nur sehr wenige Menschen noch ansteckend werden. In der Schweiz dürfen Kinder trotz Quarantäne für kurze Zeit nach draußen gehen, wenn sie keine fremden Personen treffen. Warum muss es hier bei uns so inhuman zugehen?

Kommunikation – Je länger die Corona-Maßnahmen andauern, desto mehr habe ich den Eindruck, dass auch Eltern, die aus verschiedenen Gründen große Angst vor dem Virus haben, ihre Kinder freiwillig in die Schule schicken und den Kindern auch sonst wieder mehr erlauben, etwa sich zu verabreden oder einem Hobby nachzugehen. Auch diese Eltern scheinen zu sehen, dass es entweder ihrem Kind oder ihnen selbst oder allen Beteiligten besser geht, wenn das Kind in die Schule geht. Das war im Winter so, als noch nicht getestet wurde, und es ist jetzt so, mit den Tests. Allein der Stadtelternrat unserer Stadt macht regelmäßig viel Spektakel und fordert Dinge wie Lüfter, Plastikwände und jetzt Tests am Freitag. Ich kann nicht beurteilen, wie viele Eltern das wirklich wichtig finden, habe aber noch keine getroffen. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass der Minister und die Schulleitungen sich indirekt versuchen ein Bild von der Stimmungslage der Eltern zu machen, in unsere Verhaltensweisen alles mögliche hineininterpretieren. Die Tatsache, dass die allermeisten Kinder mit Testregime „freiwillig“ zur Schule kommen, interpretiert unser Minister dahingehend, dass wir Eltern die Schule für einen sicheren Ort halten. Die gleiche Schlussfolgerung hat er im Februar nicht gezogen, als die große Mehrheit der Grundschüler auch ohne Test freiwillig gekommen ist. Warum diese ganze Kaffeesatzleserei? Warum hat es nicht längst repräsentative und offizielle Umfragen unter Eltern, Lehrern und Schülern gegeben, was eigentlich wem wichtig ist und wer sich wovor am meisten fürchtet?

Ein Chorleiter regte sich neulich darüber auf, dass die Eltern ihre Kinder nicht mehr zum Chor schicken würden, nachdem jetzt endlich nach vielen Monaten und unter Hochsicherheitsvorkehrungen die ersten realen Proben stattfinden konnten. Ich habe ihm vorgeschlagen, unter den Eltern einmal eine Umfrage zu machen, warum sie denn ihre Kinder nicht schicken – ob es wirklich die Angst vor dem Virus ist, oder die Angst vor einer möglicherweise aus den Tests resultierenden Quarantäne, oder dass sie es ihren Kindern nicht antun möchten, eine Stunde lang mit Maske und 6m Abstand zu singen, oder noch andere Gründe. Allein die Idee einer solchen ergebnisoffenen Umfrage war für diesen Chorleiter völlig jenseits des Vorstellbaren.

Vor die Entscheidung gestellt, unsere Kinder entweder ständig zu testen oder nicht in die Schule zu schicken, haben wir bei drei Schulleitern und beim Gesundheitsamt nachgefragt, wie denn die derzeitigen Quarantäneregeln seien. Muss z.B. der ganze Jahrgang in Quarantäne, wenn ein Kind an einem Mittwochmorgen positiv testet? Oder nur der Sitznachbar? Oder gar niemand? Einer der Schulleiter hat geschrieben, er wisse es nicht, alle anderen haben gar nicht geantwortet. Wie sollen wir Eltern da eine informierte Entscheidung im Sinne des Kindeswohls treffen?

Im-Stich-Gelassensein – In dieser Situation haben wir uns ans Familiengericht gewandt und angeregt, ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung durch die ständigen Tests und die daraus zu erwartenden Quarantänemaßnahmen bzw. bei Nicht-Testung durch Vereinsamung und Bildungsausfall einzuleiten. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass familiengerichtliche Maßnahmen zur Zeit nicht geboten seien. Eine Woche später hat sich ein Junge aus der Parallelklasse unseres 14-Jährigen das Leben genommen. Über die Hintergründe ist uns nichts bekannt, eine Nachfrage beim Rektor, ob es einem Zusammenhang mit Corona gebe, blieb unbeantwortet. Daher beschäftigt mich weiterhin die Frage, ob dieser Tod hätte verhindert werden können, wenn dieses Kind mehr direkten Kontakt zu schulischen Bezugspersonen und Altersgenossen gehabt hätte, oder auch nur eine stabilere Perspektive, solche Kontakte je wieder zu erlangen.

Vorschläge – Es sollten repräsentative und ergebnisoffene Befragungen aller Eltern seitens der Regierung stattfinden, um erst einmal herauszufinden, was den Elern wirklich wichtig ist und wie groß ihr Sicherheitsbedürfnis bezüglich einer Corona-Infektion wirklich ist, verglichen mit dem Bedürfnis nach verlässlichen und kindgerechten Bildungs- und Sozialangeboten. Nur durch solche Befragungen kann die Position der schweigenden Mehrheit eruiert werden.

Desweiteren sollten Maßnahmen, die Bildung, soziale Einbindung und körperliche Unversehrtheit von Kindern einschränken, in Zukunft unter Berücksichtigung von deren Verhältnismäßigkeit getroffen werden und nach Anhörung von fachkundigen Personen aus einschlägigen Fachdisziplinen.
Die zukünftige Strategie für den Betrieb von Schulen in Deutschland sollte sich auch auf im Ausland gemachte Erfahrungen stützen, wo vielerorts die Schulen im Winter 2020/21 geöffnet waren.