Warum sich etwas merken, wenn man es im Netz findet …

… weil der Zugang zu Information alleine nicht reicht. So kann man das Ergebnis einer Studie von Esther Kang vom Kölner Institut für Soziologie und Sozialpsychologie (ISS) zusammenfassen.

Die leichte Verfügbarkeit von Informationen im Internet verändere die Art und Weise, wie Menschen recherchieren und was sie sich merken. Laut der Studie von Esther Kang habe sich gezeigt, dass Menschen, die über Suchmaschinen leicht Zugang zu Informationen haben, diese weniger detailliert verarbeiten, da sie die Informationen bei Bedarf ja leicht wieder finden können. „Wenn Menschen wissen, dass sie leichten Zugang zu Informationen haben, erinnern sie sich eher daran, wie sie darauf zugreifen können, zum Beispiel an den Suchbegriff, als an die Detailinformationen“, so Kang.

Daraus ergibt sich im Kontext von Schule und Unterricht die alte Frage, über welches Wissen und welche Kenntnisse man selbst „im Kopf“ verfügen muss, als Wortschatz, als Gedächtnis und als Wissen von Kontext und wechselseitigen Bezügen, um auf Wissensbestände (einer Bibliothek, im Netz) zugreifen zu können, also handlungsfähig zu sein. Dazu gehört auch die Frage, was man sinnvollerweise auf Speichermedien (vom Buch bis zum Online-Lexikon) zum Nachschlagen auslagern kann.

Es macht am Beispiel digitaler Medien einmal mehr deutlich, dass der Zugang zu Informationen nicht automatisch zu Lernen und Wissen führt. Die Existenz einer Bibliothek führt ja nicht per se zu Wisse, man muss schon selbst lesen und lernen, Bezüge herstellen und Wissen miteinander verknüpfen. Das ist insbesondere für den Einsatz digitaler Medien im Kontext Schule von Belang:

„Eine verbreitete Sichtweise der Online-Kommunikation ist, dass ein größerer Zugang zu Informationen zu einem größeren Lerneffekt führt. Die Studienergebnisse mahnen jedoch zur Vorsicht, da ein einfacher Zugang zu Informationen nicht garantiert, dass sich bei den Nutzern ein Lerneffekt einstellt, oder dass sie den Informationen Aufmerksamkeit schenken.“ (Kang)

Information wird zu Verfügungs- und Handlungswissen erst durch die Einbindung in ander Wissensbestände, die Kontextualisierung und den Dialog darüber mit anderen

Kang, E. (2022). Easily accessible but easily forgettable: How ease of access to information online affects cognitive miserliness. (dt.: Leicht zugänglich, aber leicht zu vergessen: Wie sich der einfache Zugang zu Online-Informationen auf kognitive Geizigkeit auswirkt.) Journal of Experimental Psychology: Applied. Advance online publication

Zusammenfassung (Abstract)

Der allgegenwärtige Internetzugang hat einen einfachen Zugang zu Informationen ermöglicht und die Aufmerksamkeit und das Wissensmanagement der Nutzer beeinflusst. Im Kontext eines Online-Informationsdienstes wird in dieser Studie untersucht, wie die Wahrnehmung des leichten Zugangs zu Informationen die Strategien zum Erlernen von zwei Arten von Informationen beeinflusst: „was es ist“ und „wie man darauf zugreift“. Die Studie untersucht auch, wie der Lernprozess durch individuelle Unterschiede in der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses moderiert wird, die die effiziente Verwaltung von Aufmerksamkeitsressourcen bestimmen kann. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Personen, insbesondere diejenigen, die eine hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses haben, weniger wahrscheinlich an die Details erinnern, dafür aber eher an die Art und Weise des Zugriffs auf die Informationen (z. B. ein Schlüsselwort für eine Suchmaschinenabfrage). Personen mit einer höheren Arbeitsgedächtniskapazität sorgen auch eher für einen leichten Zugang zu Informationen, indem sie sich bei Informationsquellen anmelden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass kognitive Unzulänglichkeit nicht auf mangelnde kognitive Fähigkeiten der Nutzer zurückzuführen ist, sondern auf die Zugänglichkeit von Online-Informationen und die effiziente Nutzung von Aufmerksamkeitsressourcen.

Erklärung zur öffentlichen Bedeutung:

Die vorliegende Untersuchung deutet darauf hin, dass der einfache Zugang zu Online-Informationen dazu führen kann, dass sich Personen weniger an die Details erinnern, sondern eher daran, wie sie an die Informationen gelangen. Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei Personen, die eine hohe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses aufweisen, da sie ihre Aufmerksamkeitsressourcen wahrscheinlich effizient verwalten können.

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