Der Schweizer Bildungswissenschaftler Roland Reichenbach spricht sich im Interview mit Barbara Achermann im Tagesanzeiger (CH) vom 24.10.2025 dafür aus, sich auf zentrale Aspekte und Methoden des Unterichtens und Lernens zu besinnen, statt auf immer neue Moden, Methoden und Techniken zu setzen. Es sind erfrischend offene Antworten eines selbständig denkenden und argumentierenden Pädagogen. Anlass ist sein neues Buch „Die Pädagogik der Privilegierten“, das (hoffentlich) zu kontroversen Diskussionen auch in Deutschland anregt.
BA: Wenn die Eltern nicht studiert haben, ist es wahrscheinlich, dass man selbst auch nicht studiert. Und umgekehrt: Wer studierte Eltern hat, geht meist selbst an die Uni. Meinen Sie das mit privilegiert?
RR: Es gibt unterschiedliche Quellen des Privilegiertseins. Eine ist eindeutig der familiäre Hintergrund, ob die Eltern mehr oder weniger wohlhabend und an Bildung interessiert sind. Ein Kind ist aber auch privilegiert, wenn es von seinen Lehrpersonen unterstützt wird, wenn es Zugang hat zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Partizipationsformen, im Sport oder, wie ich damals, in der Musik.
BA: Sind die Privilegierten auch diejenigen Kinder, die am wenigsten Bildschirmzeit bekommen?
RR: Höchstwahrscheinlich schon. Und diejenigen, die ohne KI schreiben können.
Tagesanzeiger (CH) Bildungsforscher Roland Reichenbach im Interview:
«Wenn alles schneller wird, sollte die Schule langsamer werden»
Buch: Roland Reichenbach (2025) Die Pädagogik der Privilegierten
Das Buch befragt eine Pädagogik, die das individuelle Kind ins Zentrum stellt, aber nicht wahrnimmt, dass sie mit ihren Ideen in Wirklichkeit die Leistungsstarken und Privilegierten unterstützt – und viele, die andere pädagogische Umgangsweisen benötigen, um besser vorwärtszukommen, in ihrem Denken, Beschreiben und Urteilen auf seltsame Weise vergisst. (Kohlhammer)