Leopoldina fordert Smartphone- und Social Media Verbote an KiTas und Schulen

Verbote und Regelungen bis zum 17. Lebensjahr gefordert

Am 13.August 2025 veröffentlichte die Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands (Leopoldina) eine Studie mit Empfehlungen zu Regelungen zu Social Media und Smartphoneverboten an KiTas und Schulen. Politiker schwenken um und schließen sich an, wie z.B. Cem Özdemir (Grüne) und Manuel Hagel (CDU), die sich im Wahlkampf um den Ministerpräsidentenposten in Baden-Württemberg befinden. Das ist ein Seismograf, dass man damit Stimmen gewinnen kann, weil nun auch die Bevölkerung mehrheitlich für Regelungen ist.

Von Peter Hensinger

Ausschnitt aus dem Titelbild der Studie der Leopoldina
Ausschnitt aus dem Titelbild der Studie der Leopoldina

Die Leopoldina legte am 11. August 2025 die Studie „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ vor, über die alle Leitmedien berichten. Die Leopoldina ist die Nationale Akademie der Wissenschaften Deutschlands und eine der ältesten durchgehend bestehenden Wissenschaftsakademien der Welt (gegründet 1652). Sie berät Politik und Gesellschaft auf wissenschaftlicher Grundlage. Die Kernaussage in ihrer Studie zur Nutzung digitaler Medien ist eindeutig:

„Wir empfehlen, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 zu untersagen (S.40).“

Dieses Verbot bis zum 16. Lebensjahr müsse aber von einem Konzept der Erziehung zur Medienkompetenz begleitet werden (Kapitel 4.2.), v.a. auch mit der Vermittlung von Alternativen „z.B. körperliche Aktivität, Spiel, Musik, Kunst, Theater“ (S.42). Auf Grund der massiven Schädigung großer Teile der Kinder wird ein „kurzfristiger Handlungsbedarf“ (S.45) gesehen. In der Pressemitteilung der Leopoldina heißt es zusammenfassend:

„ Die Autorinnen und Autoren sprechen sich dafür aus,

  • dass Kinder unter 13 Jahren keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen.
  • Für 13- bis 15-jährige Jugendliche sollten soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein.
  • Für 13- bis 17-Jährige sollen soziale Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden – beispielsweise bei den algorithmischen Vorschlägen, durch ein Verbot von personalisierter Werbung oder durch die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen außerdem, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 nicht zuzulassen.“

Die Leopoldina begründet ihre Verbots- und Einschränkungsvorschläge mit einer Reihe dokumentierter pathologischer, psychischer und psychosozialer Auswirkungen intensiver oder suchtartiger Social-Media- und Smartphone-Nutzung bei Kindern und Jugendlichen, darunter:

  • Psychische Störungen: Erhöhtes Risiko für Depressionen, Angststörungen, Stresserleben, Schlafprobleme, Essstörungen und suizidale Gedanken oder Handlungen.
  • Suchtverhalten: Entwicklung suchtartiger Nutzungsmuster mit Kontrollverlust, Vernachlässigung anderer Aktivitäten und Entzugserscheinungen.
  • Körper- und Selbstbildprobleme: Körperunzufriedenheit, Perfektionismus, negatives Selbstbild – besonders ausgeprägt bei Mädchen.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, verringerte Problemlösefähigkeit, Leseschwächen.
  • Soziale Auswirkungen: Zunahme von Cybermobbing, Hasskommentaren und sozialem Rückzug, erschwerte Entwicklung sozialer Kompetenzen.
  • Entwicklungsverzögerungen: Negative Einflüsse auf emotionale Regulation, Impulskontrolle und motorische Entwicklung.

Die Akademie betont, dass diese Effekte bei hoher Nutzungsdauer oder suchtartigem Verhalten besonders stark auftreten und teilweise irreversibel sein können.

Kluge Kinder haben eigene Ideen, sie brauchen Spiel und Gemeinschaft. (Bild:Pexels-rdne-803-4020)
Kluge Kinder haben eigene Ideen, sie brauchen Spiel und Gemeinschaft. (Bild:Pexels-rdne-803-4020)

 

Forderungen der Leopoldina zu Smartphoneverboten an Schulen

  • Generelles Smartphone-Verbot in Grundschulen, um den Zugang im schulischen Kontext bei den jüngsten Jahrgängen praktisch auszuschließen.
  • Einschränkung der privaten Nutzung während des Unterrichts in weiterführenden Schulen,
  • Ausnahmen nur für pädagogische Zwecke.Altersgerechte Zugangs- und Nutzungsbeschränkungen für soziale Medien, z. B. höhere Mindestalter.

Hauptbegründungen für das schulische Verbot

  • Hohe Bildschirmzeiten stehen im Zusammenhang mit schlechteren schulischen Leistungen, geringerer Konzentrationsfähigkeit und eingeschränkter Sprachentwicklung.
  • Permanente digitale Ablenkung beeinträchtigt soziale Interaktion und psychische Gesundheit.
  • Frühzeitige und unkontrollierte Nutzung sozialer Medien erhöht Risiken wie Cybermobbing, Suchtverhalten und die Verbreitung problematischer Inhalte.

Geforderte Lösungen und Maßnahmen

  • Klare gesetzliche Regelungen zu Nutzungseinschränkungen und Altersgrenzen.
  • Ausbau digitaler Medienkompetenzprogramme für Schüler, Eltern und Lehrkräfte.
  • Verpflichtende technische Schutzmaßnahmen (z. B. Jugendschutzfilter, Zeitkontrollen).
  • Förderung analoger Freizeitangebote und Lernformen zur Stärkung sozialer und kognitiver Fähigkeiten.
  • Forschung und Monitoring zu langfristigen Auswirkungen digitaler Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen.

Besonders bemerkenswert: In der Stellungnahme dient das Vorsorgeprinzip als rechtliche und ethische Grundlage für die empfohlenen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor möglichen Schäden durch soziale Medien. Die Leopoldina argumentiert, dass auch bei noch unvollständiger wissenschaftlicher Beweislage präventive Eingriffe gerechtfertigt sind, da die potenziellen Risiken für die psychische und kognitive Entwicklung erheblich und teilweise irreversibel sein können.

Quelle: Homepage Leopoldina: Altersgrenzen für Social Media: Diskussionspapier empfiehlt besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen. Dort steht die lesenswerte Studie zum Download.

Interview mit Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Instizit für Bildungsforschung und Co-Autor der Studie: „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“.

Die Erkenntnisse gehen noch nicht tief genug

Es ist ein Paradigmenwechsel. Alle diese negativen Folgen wurden von den Wissenschaftlern des Bündnisses für humane Bildung und von diagnose:funk in Büchern, Fachartikeln und Vorträgen vorausgesagt, seit über 15 Jahren. Dafür wurden sie als „Ewiggestrige aus der Kreidezeit“ hart angegangen, v.a. von servilen Medienpädagogen, die sich mit Gefälligkeitsgutachten für die IT-Branche ihre Drittmittel sicherten. Sie haben zur Schädigung einer ganzen Generation von Kindern beigetragen! Was wir seit über 10 Jahren fordern, wird nun endlich Teil der Bildungspolitik.

Die Studie und Positionen der Leopoldina muss man uneingeschränkt unterstützen. Doch es müssen die bereits vorliegenden umfassenden Analysen der 11 deutschen Fachverbände in der „Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend“, das Konzept, das 75 Experten in ihrem Appell im März 2025 für eine Erziehung zur Medienmündigkeit vorgelegt haben und die Erkenntnisse aus der Neurobiologie einbezogen werden.

Richtig schreibt die Leopoldina, dass Schädigungen irreversibel sein können. Wie kommt es zu irreversiblen Schädigungen im Gehirn? Es ist notwendig, sich mit dem Wirkmechanismen der Schädigungen auseinanderzusetzen. Da ist zum einen der Suchtmechanismus, v.a. durch die Reizüberflutung, und zum zweiten der veränderte Gehirnstoffwechsel durch die Strahlung der mobilen digitalen Geräte. Die Auswirkungen der Strahlung werden noch völlig unterschätzt. Dazu haben wir fundierte Nachweise vorgelegt, u.a. mit dem Interview mit der Neurobiologin Dr. Keren Grafen und dem Überblick Nr. 4: Wirkt Mobilfunk auf das Gehirn?